(M)Ein ganz normaler Tag in Deutschland

Heute ein Gastartikel meiner muslimischen deutsch-chinesischen Freundin Mareike. Wenn er euch gefällt, dann verlinkt bitte fleißig.

Ich wache auf, ich sehe den wunderbar strahlenden Himmel draußen, ich rieche die leckeren Pfannkuchen, die mein lieber Ehemann mir immer zum Frühstück zaubert, ich komme mit bester Laune aus dem Bett – das scheint heute ein guter Tag zu werden!
Ich freue mich schon darauf, rauszukommen, die Sonne zu genießen, meine Freunde in der Uni wiederzusehen, kurz: Meine Stimmung ist blendend – wie das Wetter draußen, wird wohl wieder ein heißer Sommertag.
Ich schnappe mir Kleidung in meinen Lieblingsfarben aus dem Schrank und setze ein dazu passendes Kopftuch auf ... womit der Tag dann eigentlich so gut wie gelaufen ist...

Mit dem Vorsatz, heute stark zu sein, mich heute nicht von irgendwelchen Sprüchen runterziehen zu lassen, verlasse ich die Wohnung und bete, dass es ein schöner Tag wird.
Kaum bin ich im Treppenhaus, werde ich Zeuge davon, wie Frau Nachbarin die kleine dreijährige Tochter des kurdischen Ehepaars von nebenan die Stufen runterkickt. Wie einen Fußball. Ich renne hinzu, sehe, dass es dem Mädchen gut geht und wende mich der alten Dame zu, die schon so alt und gebrechlich aussieht, dass man überrascht ist, wie sie die Kraft überhaupt dazu aufbringen konnte. Doch mein Protest geht in wildem Geschrei unter, dass ich hier nichts zu sagen habe, ich bin ja schließlich nicht in meinem Heimatland. Ich habe hier nicht das Recht, meinen Mund überhaupt zu öffnen und wenn ich jetzt nicht verschwinde, rufe sie die Polizei. Ja, immer die Polizei, die dann auch immer auf ihrer Seite ist. Letztens wollte sie die Polizei rufen, als ich meinen Briefkasten öffnete. – „Ja, ja, machen Sie ruhig weiter so, ich hab Sie schon gemeldet!“ – Mein verdutztes „Aber ich hole doch nur meine Post“ hat sie in ihrem „Schmutzige Ausländer“-Gezeter wohl gar nicht mehr so recht mitbekommen.

Nun ja, das war nicht so ganz der erwartete Einstieg in den Tag (für das kleine Mädchen sicher auch nicht), aber der Tag hat ja gerade erst angefangen.
Zuversichtlich steige ich in den Bus und setze mich auf einen der vielen freien Plätze. – „Aufstehen!“ Ich sage verwirrt: „Warum?“ - „Auch noch Fragen stellen hier, oder was? Hör mir mal zu, ja? Noch bin ich hier im eigenen Land, okay? Und du bist hier nicht zu Hause, hier musst du dich an unsere Gesetze halten!“ Ich sehe mich um. Wahnsinn, keiner der anderen Fahrgäste verteidigt mich. Sie zücken alle ihre iPods und iPhones und sind offensichtlich ganz vertieft in ihre Musik und die, die solche Geräte nicht haben sehen alle hinaus in den Himmel, als ob sie noch nie die Sonne gesehen hätten.
Ich weiß, ich bin eine dumme feige Kuh, aber ich habe keine Lust auf eine nervenaufreibende Diskussion und begebe mich auf einen anderen Sitzplatz. Sowie ich dort Platz genommen habe, stehen jene, die sich unmittelbar neben mir befinden, abrupt auf und flüchten in den hinteren Teil des Wagens. Woran das wohl liegt? Den Blicken nach zu schließen höchstwahrscheinlich an dem Päckchen, was ich mit mir trage. Dass ich damit nur zur Post will, kommt wohl keinem in den Sinn. Und überhaupt – wäre da eine Bombe drin, wären sie auch ganz hinten im Bus nicht sicher!

Nachdenklich sitze ich nun in der S-Bahn und beobachte die Polizisten, welche soeben Ausweiskontrolle bei den Fahrgästen durchführen – also bei den Fahrgästen mit dunkler Hautfarbe und Vollbart...

Und schwupps – sie haben einen. Einen nehmen sie immer mit. Der Arme, der hat wahrscheinlich nur nicht daran gedacht, dass man hier noch nicht mal den Müll rausschaffen dürfte, ohne sämtliche
Papiere bei sich zu tragen. Seine Erklärungen in einwandfreiem Deutsch werden überhört. Die Beamten bemühen sich nämlich gerade, ihm in einer extremen Lautstärke mit absichtlich gebrochenem Deutsch und merkwürdig verformten Halbsätzen zu verdeutlichen, was hier los ist:
„Du – hier – in DEUUUUUTSCH-LAAND – sein! Hier – unsere – Gesetze! Du – nicht – in – Heimat!“
– Da ist es schon wieder: Heimat. Immer dieses Wort. Ständig. Ich kriege das am laufenden Band zu hören. Was ist das denn für eine Argumentation? Bin ich kein vollwertiger Mensch, nur weil man meint, meine „Heimat“ wäre sonstwo außerhalb?

Außerdem - was soll ich dazu sagen? Vater deutsch, Mutter chinesisch. Und selbst weder ganz das eine noch das andere. Hier gehöre ich nicht dazu, aber bei den Chinesen irgendwie auch nicht so recht. Denn ich kenne sie nicht. Ich war ein einziges Mal in China als kleines fünfjähriges Mädchen. Kaum noch Erinnerung daran. Keine Ahnung vom Land, von den Leuten, von der Kultur. Ich spreche nicht mal die Sprache. Kontakt zur Familie so gut wie gar nicht. Und so soll sie also aussehen? Meine Heimat? Das, wohin ich (so wie ich es oft zu hören bekomme) wieder zurückkehren soll? Ein Land, was ich nicht kenne, dessen Sprache ich nicht verstehe?
Ich bin hier geboren und aufgewachsen, habe hier die Schule besucht und nun die Uni. Ich kenne nichts anderes. Hier lebe ich. Können sie das nicht einfach akzeptieren? Nein, können sie nicht. Und deswegen lebe ich schon immer in der Schwebe. Zwischen zwei Welten. Zwei Kulturen. Und keine will mich so recht aufnehmen. Nirgendwo passe ich richtig rein. Ich bin irgendwo dazwischen. Und das ist schwer. Keinen richtigen Platz zu haben. Warum Mama hergekommen ist und warum sie bleiben wollte, keine Ahnung. Aber ich bin hier geboren. Das konnte ich mir nicht aussuchen. Ich hab hier das Licht der Welt erblickt und kenne auch nichts anderes. Hier habe ich mein Leben verbracht. Und jetzt soll ich hier wieder weg? Nur weil ich anders aussehe? Weil mein Familienname ein bisschen anders klingt? Weil ich zu meiner Jeans und dem H&M-Kleid ein Kopftuch trage?

Mittlerweile habe ich es bis zur Poststation geschafft. Ich verlasse die S-Bahn und bleib kurz am Bahnsteig stehen, um mich zu orientieren. Welche Richtung war nochmal die Post? Ich lege mein Paket ab, geh ein paar Schritte bis zur Anzeigentafel und studiere den dort ausgehängten Stadtplan. - „Gleis 3, wiederhole, Gleis 3, bitte kommen!“ - Ein Polizeibeamter hat wohl irgendwas auf Gleis 3 entdeckt! Was das wohl ist? Interessiert sehe ich mich um – o nein – die stehen um mein Päckchen herum! ...

Endlich geschafft. Ich habe mich mehrmals bei den Beamten entschuldigt und hätte fast 200 EUR für diesen „Einsatz“ zahlen müssen – pfff! - Die stehen doch sowieso den ganzen Tag am Bahnhof herum!
Und nach einer ziemlich aggressiven Frage der Postbeamtin nach dem Inhalt des Päckchens habe ich es auch endlich geschafft und bin bei der Uni angekommen. - Vielleicht wird dieser Teil des Tages ja besser...

Uni-Tag erfolgreich geschafft und wieder viel Neues gelernt. Zum Beispiel, dass die Uni-Bibliothek nur drei Etagen hat, nicht vier. Obwohl man mir sagte, der Gebetsraum für muslimische Studenten befindet sich in der vierten Etage.

Ich stehe nun auf dem Unigelände und warte auf meinen Mann. Er hat heute früher Feierabend und da wollte er mir die Freude machen, mich abzuholen. Ich freue mich, ihn gleich zu sehen.
Ungeduldig sehe ich auf die Uhr. Ich sehe immer wieder auf die Uhr. Er ist sonst ein pünktlicher Mensch. Mit der Zeit mache ich mir Sorgen, da er auch nicht telefonisch zu erreichen ist, wobei er so einen penetranten Klingelton hat, dass er so gut wie nie einen Anruf verpasst.
Nach drei Stunden bekomme ich einen Anruf: „Salamu alaikum mein Schatz. Ich komme gerade aus der Polizeistation...“
Na toll, was denn jetzt schon wieder! Wobei, ich hätte es mir denken können – es hat doch gerade ein neuer Monat angefangen. Muss ja mal wieder was kommen. Das letzte ist nun schon vier Wochen
her.

Sie haben ihn immer wegen irgendwas. Sie fangen ihn immer am Bahnhof ab und nehmen ihn immer wegen was andrem mit aufs Revier. Widerstand wäre da zwecklos. Sie sagten ihm, wenn er den Mund aufmacht, schlagen sie ihn. Ist zum Glück noch nie passiert. Tja, und dann sitzt er da sinnlos drei Stunden auf dem Revier, verpasst sämtliche Termine, kriegt nicht mal das Recht, auf die Toilette zu gehen oder etwas zu essen. Die Beamten schlürfen derweil ihren Kaffee, beleidigen ihn, um dann im Anschluss zu sagen: „Entschuldigung, wir hatten eine falsche Information zugespielt bekommen. Sie waren gar nicht gemeint. Es tut uns sehr leid. Sie dürfen jetzt gehen.“

Jedes Mal dasselbe. Sinnlose Zeitverschwendung und Nerven kostet es sicher auch. Mein armer Schatz, er tut mir so leid! Ich frage mich nur, warum immer? Was ist an ihm so interessant? Er ist ein einfacher tunesischer Mann, der hier Pharmazie studiert und nebenbei als Arabischlehrer tätig ist. Manchmal hält er auch Vorträge in Moscheen. Dann sind da manchmal eine Menge Leute, die konvertieren wollen. Wahrscheinlich liegt es daran, dass sie immer wieder versuchen, ihn wegen irgendetwas dranzukriegen. Er redet denen einfach zu viel und zu überzeugend.
Bis jetzt war schon alles mögliche dabei: Diebstahl, Körperverletzung, Schwarzfahren, ungültiger Aufenthaltsstatus und natürlich der absolute Renner: Verdacht auf terroristische Aktivität. Und immer wieder kriegt er nach stundenlanger Demütigung ein „Entschuldigung, wir hatten nur eine falsche Information bekommen. Sie waren gar nicht gemeint. Sie dürfen gehen.“
Na? Da hat man doch irgendwann keine Lust mehr drauf, oder? Wenn man sich dann tatsächlich einen Sprengstoffgürtel umbinden würde, würde man mal etwas tun, was alle erwarten!

Mein Mann hat sich da jetzt mal beschwert. Was kann er gegen diese Behandlung tun? Sie meinten, er könne die Polizei verklagen. - Die Polizei verklagen? Na klar. Und nebenbei noch einen Riesenscheck an einen Anwalt übergeben. Und Namen hat er auch nicht. Er weiß nicht, welche Beamten das waren. Im Gegensatz zu ihm wollen die sich nämlich nie ausweisen.
Einer sagte noch: „Naja, Sie könnten sowas umgehen, indem Sie sich nicht so oft auf Bahnhöfen aufhalten würden.“ - Versuch das mal einer! In Köln einem Bahnhof aus dem Weg gehen! - Die S-Bahn hier ist das effektivste Verkehrsmittel, um durch die Stadt zu kommen! Es geht gar nicht anders, als mehrmals täglich einen Bahnhof aufzusuchen!

Da kommt mein Mann endlich! Der Arme, er tut mir so leid. Routinemäßig frage ich ihn: „Und, was war es diesmal?“ - „Vorwurf des Kindermissbrauchs.“ - WAAAAAAAAAAS?! Oh mein Gott! Die wollten ihm ja schon alles mögliche anhängen, auch glauben sie, dass er ständig mit 'ner Bombe herumläuft, aber das? Oh mein Gott, das übertrifft ja alles! Das ist ja das Letzte! Wie können sie nur?
„Und was haben sie dann zu dir gesagt?“ - „Es tut uns leid, dass wir sie hier aufgehalten haben, wir hatten nur eine Falschinformation.“
Was haben die nur davon, frage ich mich!

Nun gut, jetzt nicht mehr davon reden, wir haben noch ein paar wichtige Termine: Behördengänge.

Ich mache mich schonmal drauf gefasst, ignoriert zu werden. Das ist wirklich lustig. Überall werde ich angestarrt und doof angemacht, aber sowie ich eine Behörde betrete, bin ich wie Luft. Dann reden sie nur noch mit meinem Mann, auch wenn er sie immer wieder darauf hinweist, dass ich sehr wohl der deutschen Sprache mächtig bin.
„Wie heißt Ihre Frau? Wie alt ist Ihre Frau? Was möchte Ihre Frau?“ Manchmal mache ich mir den Spaß und antworte entweder in übelstem Dialekt (Sächsisch bevorzuge ich) oder in völlig überzogener Fachsprache in möglichst kompliziertestem Satzbau. In deren Gesichtern erkennt man dann immer eine Art Fassungslosigkeit. - Was sie nicht daran hindert, mich noch immer nicht für voll zu nehmen.

Einige Fragen beantworten sie auch einfach so und tippen etwas in ihre Computer, ohne mich vorher zu fragen, hier nur ein paar Beispiele:
„Staatsangehörigkeit: Sonstige“ - Nein, ich hab einen deutschen Pass.
„Ach so ... Status: Eingebürgert“ - Nein, erworben durch Geburt. Mein Vater ist deutsch.
„Ach...?“ (Hochgezogene Augenbrauen)
„Anzahl Kinder...“ - Keine.
„Nein, ich meine, wie viele Kinder Sie haben!“ - KEINE!
„Beruf: Hausfrau“ - Nein, ich bin Studentin!
„Ach...?“ (Augenbrauen verschwinden fast völlig unter dem Haaransatz)

Irgendwann ist dann auch dieser Tag geschafft.
Wir sind auf dem Heimweg. Im Bus lasse ich meine Kapuze gleich auf. Ich habe für heute keine Energie mehr, den Leuten immer wieder ihre dummen Fragen bezüglich meines Kopftuches zu beantworten:
„Nein, mir ist nicht wärmer als Ihnen. Nein, mein Mann zwingt mich nicht dazu. Nein, mein Vater auch nicht. Brüder? Hab ich keine. Nein, ich wurde noch nie geschlagen. Nein, meinen Mann habe
ich aus Liebe geheiratet. Nein, zu Hause trage ich kein Kopftuch. Nein, ich bin keine Türkin. Bla-Bla-Bla.“

Den nächsten Bus haben wir verpasst. Also eigentlich nicht verpasst. Wir standen an der Station. Der Busfahrer sieht uns an und – fährt vorbei.
Als wir endlich im nächsten Bus sitzen, lassen wir jeder für sich den Tag Revue passieren. Mein Mann schäumt vor Wut. Ich dagegen habe gar keine Kraft mehr für Wut. Ich fühle mich einfach nur sehr traurig und enttäuscht und – allein. Ja, das trifft es. Allein. Mir laufen die Tränen runter, während mein Mann sich neben mir lauthals über Deutschland beschwert.

Ein Mann kommt zu uns und kommentiert:
„Wenn es Ihnen hier nicht passt, warum bleiben Sie dann noch hier?!“

Ja, das frage ich mich auch.

„Gehen Sie doch nach Hause!!!“

Hmm, wenn ich nur wüsste, wo das ist – mein zu Hause...

Edit 10.12.2011, Zweisatz: Ihr Tagebuch
srm (Gast) - 31. Okt, 00:48

:(

Sag, dass das nicht wahr ist. Ich möchte glauben, dass deine Geschichte erfunden oder übertrieben ist. Ich will nicht glauben, dass wir immernoch in solch einer Gesellschaft leben :(

Zweisatz - 31. Okt, 09:21

Die einzige Veränderung, die an den Geschehnissen möglicherweise stattgefunden hat, ist, dass Mareike die Erlebnisse mehrerer Tage komprimiert hat. Aber nicht einmal davon würde ich ausgehen.
Ich würde die Frage an sie weiterleiten, nur wurde ihr schon zu oft vorgeworfen, ihr Erlebtes könnte erfunden sein, deswegen möchte ich ihr das lieber ersparen...
Lea (Gast) - 31. Okt, 13:26

:(

Kann mich SRM nur anschließen. Da verliert man ja das letzte bisschen Glauben an die Menschheit. Würde mich auch über die Nachfrage und zusätzliche Infos zum Hintergrund des Artikels freuen.
Zweisatz - 31. Okt, 13:33

Ich werde sie mal hierauf aufmerksam machen.

Mareike (Gast) - 31. Okt, 14:16

Hmm, okay, dann melde ich mich mal selbst zu Wort.

Seit der Artikel draßen ist, habe ich von sooo vielen gehört, dass dies unmöglich die Wahrheit sein kann. Das hat mich, zugegeben, ziemlich getroffen. In der Tat bekam ich nur von einer einzigen Person die Nachricht, sie versteht mich vollkommen, sie macht ähniches durch.

Ich kann nur sagen, genau so hat es sich zugetragen. Und ich kann weiterhin sagen: Nicht nur einmal.

Ich war ehrlich gesagt sehr überrascht, dass offensichtlich niemand sonst derartiges erlebt hat - denn dadurch, dass ich sowas so oft durchmache, nahm ich wirklich an, dass das wohl Normalität zu sein scheint. Ich war so baff zu hören, dass mir im Prinzip niemand Glauben schenken mag.
Ich freue mich, wenn andere das nicht erleben müssen, aber ich frage mich nun, warum es mir und meinem Mann passiert - ständig. Immerzu zur falschen Zeit am flachen Ort zu sein, kann es ja nicht sein, also muss es wohl an ertwas anderem liegen.
Ich weiß darauf keine Antwort.
Aber der Artikel ist wahr.

Manche fragten mich auch, was ich mit dem Artikel erreichen wollte. Musste ich denn unbedingt ein Bild des Hasses zeichnen und Mauern vergrößern?
So oder so ähnlich waren die Vorwürfe.

Es tut mir wirklich arg leid, wenn der Artikel so rüberkam.
Es war keineswegs meine Absicht. Ich wollte nur andere einmal wissen lassen, was so abgeht, was mir hier immer widerfährt, was mich ständig dazu bringt, mir immer die selbe Frage zu stellen: Was ist hier los?

Es ist ein Bericht. Nichts weiter.
Und es ist wahr.

Wow, jetzt bin ich zweifach traurig.
Erstmal, dass ich überhaupt so einen Scheiß zu berichten habe und zweitens, dass man mir nicht glaubt. Wie so oft.

Ich kann es verstehen, dass es unrealistisch erscheint, wenn man selbst nie so etwas erlebt hat.
Deswegen habe ich den Text ja verfasst. Ich wollte den Leuten mitteilen, was hier manchmal abgeht. Sie sollten wenigstens eine kleine Ahnung von dem bekommen, wie es so ist hier - für einige wenige zumindest.

Na gut, ähm trotzdem danke, neija, fürs Lesen und drüber Gedanken machen und so.
Zweisatz - 31. Okt, 14:44

Hey Mareike,

erst Mal tut es mir Leid, dass es schon wieder so wie immer gelaufen ist. Ich hoffe, ich habe dafür keine unnötige Plattform geboten.

Dann wollte ich sagen: ich gehe davon aus, dass dir aber vielen anderen nicht solche Sachen widerfahren, weil du ja nicht nur weiblich bist, nicht nur asiatisch aussiehst, nicht nur Muslima bist, sondern alles gleichzeitig. Und dazu hast du noch einen Mann, der ebenfalls als Ausländer wahrgenommen wird und muslimisch ist. Und es macht einen Unterschied, ob man eine, mehrere oder alle diese Eigenschaften gleichzeitig besitzt. Je mehr es davon sind, desto schlimmer wird es. Das zu ignorieren oder verneinen ist Unsinn und wenn man das glaubt, hat man seine antirassistischen & antisexistischen Hausaufgaben nicht gemacht.

Aber andere Leute definieren nicht, was real ist, das darfst nur du.

Und du zeichnest ein Bild des Hasses, weil es dir persönlich widerfährt. Es ist eine hinterlistige Art, die Schuld umzuwälzen, wenn man dich dafür bestrafen willst, dass du Licht ins Dunkel bringst! An welcher Stelle hast denn du Böses getan? An keiner einzigen!
Trotz der schlechten Behandlung, die dir widerfährt, hast du die Deutschen nicht als per se schlecht bezeichnet. Du hast Größe gezeigt, die weder einige Menschen, die in deinem Artikel erwähnt werden, noch die Kommentator/inn/en, die dir diese Vorwürfe machen, gezeigt haben.
Wer hier auf jeden Fall nicht zu beschuldigen ist, das bist du.

pixel (Gast) - 2. Nov, 12:12

Vielen Dank für diesen Bericht, Mareike! Dir und deinem Mann viel Kraft, damit euch dieser Scheiss nicht fertig macht.
sellerie (Gast) - 5. Nov, 20:23

ich gehe davon aus...

"(...) ich gehe davon aus, dass dir aber vielen anderen nicht solche Sachen widerfahren, weil du ja nicht nur weiblich bist, nicht nur asiatisch aussiehst, nicht nur Muslima bist, sondern alles gleichzeitig"

Ich will hier niemanden angreifen, aber offen nachdenken und Fragen stellen. KEIN ANGRIFF, KEIN VORWURF, lest die Worte und stellt Euch die entspannteste aller Stimmen vor, zurückgelehnt, im Warmen während es nach Mandarinen und Tee riecht.

Ich gehe davon aus, dass Dir UND VIELEN anderen solche Sachen widerfahren, weil wir in einer sexistisch, fremdenfeindlich und islamophob geprägten Gesellschaft leben.

Ich gehe davon aus, dass es nur die wenigsten überhaupt sehen, verstehen, hinterfragen und nachdenken lässt.

Ich gehe davon aus, dass die Technik der Verdichtung, also das alles zu komprimieren und auf EINEN einizgen Tag zu legen, für deutlich mehr Aufsehen sorgt und Aufmerksamkeit bewirkt.

Ich gehe davon aus, dass in den meisten Fällen dann aber genau dies als Erstes "bereagiert" wird. Sofort kommt die Frage: "An einem einzigen Tag!?"

NCOHMAL: Ich will niemanden hier angreifen
Wofür ist das relevant?
Warum ist es schlimmer wenn es ein EIN Tag ist?
Wem, außer Mareike (und den Personen die derartige Erlebnisse immer und immer wieder aushalten müssen), steht es überhaupt zu Urteil abzugeben und zu befinden was schlimmer oder weniger schlimm ist?

Ich finde es nicht weniger erschreckend als viele Tage, Monate, Jahre.

Jede Minute die ein Mensch sich fühlen muss wie Mareike es beschreibt ist zuviel!
Jeder dieser Momente ist ein Angriff auf Freiheit, Glück, Leben und Unversehrtheit!

Unser Aller Freiheit, Glück und Leben.


Ich danke Mareike
für den Akt des Aufschreibens, des Erinnerns und Mahnens.
für die Offenheit.
für den Mut.
für das Rückrat.

Ich wünsche Dir viel Kraft, Mut und Rückhalt, einen Otr zu finden an dem Du sein darfst wie Du willst, an dem Du rausgehen kannst ohne "das nächste" zu erwarten.
An dem Menschen Dich sehen, mit Dir sprechen und verstehen dass was sie sehen vielleicht mehr als alles andere, die Realität dieser Erde ist: vielfältig, außerordentlich, kritisch, mutig und FREI gehen Menschen durch die Welt die sie gestalten.

Danke.

Ich kann mir vorstellen dass Du Mareike die Kommentare vielleicht gar nicht mehr weiterlesen magst. Wenn dem so ist, wäre ich Zweisatz dankbar wenn dieser Brief mit einem Gruß und Lächeln an Dich weitergeleitet wird.
Denn eins ist ganz sicher: Allein bist Du nicht, geh los und such die die Deine Erfahrungen teilen. Gemeinsam sind wir stark!

P.S. (ab ist die Stimme nicht mehr entspannt, sondern provokant)
Wenn mein Kommentar wen wütend gemacht hat:
Wie wärs mit der (rhetorischen) Frage:
WARUM?
Zweisatz - 5. Nov, 21:07

Hey Sellerie,
du musst dich hier nicht rechtfertigen, wenn du vollkommen relevante Punkte anbringst.
Und keine Sorge, ich lasse auch keine ignoranten Antworten durch, weil ich einen Blog mit solchen Beiträgen nicht für lesenswert halte.
Ich werde Mareike wegen deines Kommentars Bescheid sagen.
zeco (Gast) - 2. Nov, 12:29

wtf

Also ich kenne Dresden , Berlin , Hamburg , München und musste so etwas da Gott sei dank noch nie erleben. Das in Sachsen zum Beispiel viele Polizisten anscheinend einen relativ ausgeprägte rechte Ader haben ist mir ja auf gefallen aber SOWAS haben ich da noch nie erlebt. Und vor allem warum sagt keiner was ?

Zweisatz - 2. Nov, 15:31

Wirkst du denn ausländisch/muslimisch auf Deutsche?
Das macht definitiv einen Unterschied in der Erlebenswelt, daher ja auch das Konzept der Privilegien.
kiturak (Gast) - 2. Nov, 21:50

danke

Danke dafür, das aufzuschreiben.
Ich komme mir recht unnütz vor, weil ich das Gefühl habe, wirklich überhaupt nichts Sinnvolles zu diesem ganzen Schrecklichen zu sagen, aber vielleicht immerhin: Natürlich glaub' ich Dir. Ich weiß nicht, wie oft Leute noch gesagt bekommen müssen, dass Deutschland so ist, und es immer noch nicht glauben wollen . Ich hoffe ja auch, dass wir es irgendwann hinbekommen, dass das alles besser wird, aber momentan ist es halt einfach nur schrecklich. Das einfach mal zu akzeptieren, dass Rassismus hier Realität ist, dass Leute hier einfach willkürlich schrecklich behandelt werden, jeden Tag, ist einfach die allermindeste Grundlage dafür, daran was zu ändern.
:(
Ich wünsch' Euch trotzdem alles Gute. (Das mit dem Dialekt und der Fachsprache ist super!)

Alien59 (Gast) - 3. Nov, 05:59

Danke für deinen Mut

Mut braucht es nämlich, solche Wahrheiten zu schreiben. Ja, alles das gibt es. Und es gibt eben auch die vielen, vielen, eigentlich ganz netten Menschen, die sich das so gar nicht vorstellen können. Wie oft habe ich mir anhören dürfen, ich sei "empfindlich", das sei alles "nicht so gemeint", ich müsse doch auch "Verständnis haben", wenn man mein Aussehen halt befremdlich fände.
Aber es ist häufig nicht mal ein einzelner, besonders schlimmer Vorfall (wobei ich das mit dem kleinen Mädchen echt heftig fand), sondern die Häufung kleinerer Dinge.
Dann noch die Ungläubigkeit, die einem hier entgegenschlägt - das macht keinen Spaß mehr.
Alles Gute, Maraike!

Zweisatz - 3. Nov, 17:32

HINWEIS

Ich lasse keine Kommentare mit ableistischer Sprache zu – egal, gegen wen sie sich richtet.

Edit: Kommentare, was Mareike denn wann hätte machen sollen, wenn sie auch gut gemeint sind, werde ich ebenfalls nicht veröffentlichen.

Briny Pie (Gast) - 8. Nov, 10:24

"Ach du heilige Scheiße."

Diese Worte wiederholen sich gerade penetrant in meinem Kopf.
Ich hab eben einen ellenlangen Text geschrieben, aber was ich eigentlich sagen will, kann ich nicht formulieren.

Mareike, ich wünsch dir einen fetten Haufen Kraft und Gelassenheit für alle Tage.

Angelika (Gast) - 9. Nov, 17:47

ehrlich gesagt, ich habe deinen/Mareike's erfahrungen/bericht (und kommentare) mehrmals gelesen.
das einzige was ich sagen kann ist "danke für dein mit-teilen"

(es ist mir egal, ob "das an einem tag" war.)
entscheident ist einzig : es sind deine erfahrungen, dein leben, deine deutungshoheit usw.
und ja, ich weiss dass dies tagtägliche realität/in dld. ist.

was kann ich tun ? frage ich mich/auch dann wieder.
nun, noch/aufmerksamer sein und wenn möglich als sog. bystander solidarisch/aktiv sein.
(für "active bystander" habe ich i.d. zusammenhang kein passendes dt. wort parat ?!)
vgl. hier
http://web.mit.edu/bystanders/index.html

und ja "entrüstet euch"/indignez vous/ IRL

solidarische grüsse
Sarah (Gast) - 10. Nov, 02:43

Entsetzt aber nicht allzu überrascht...

Hallo liebe Mareike. Das ist ja scheußlich was dir da so oft widerfährt... Und obwohl mich das Ausmaß entsetzt, bin ich nicht sonderlich überrascht. Ich bin auch halb-Deutsche, meine "andere Hälfte" ist Kolumbianerin, meine Hautfarbe ist zwar hell, aber meine Gesichtszüge, Körperbau, Haare und Augenfarbe weisen eindeutig auf meine kolumbianischen Gene hin... Und auch ich habe ähnlichen Rassismus wie du, allerdings viel viel seltener erlebt. Vermutlich weil mich die Leute schlicht nicht einordnen können, manche vermuten ich sei Spanierin oder Italienerin (das sind ja die eher "beliebten" Ausländer, á la "Oh wie exotisch, temperamentvoll, heißblütig" *KOTZKOTZ*). Mit einem Kopftuch würde für mich die Welt mit Sicherheit auch feindseliger aussehen... Bezogen darauf dass dir die Leute mit deiner Geschichte wenig Glauben schenken, da kann ich nur sagen: Kenn ich. Ich bin lesbisch und es ist für viele Leute denen ich davon erzähle absolut unglaublich was ich an Diskriminierung diesbezüglich bereits erfahren habe - viel mehr als wegen meiner Herkunft. Das beinhaltet Gewaltandrohungen, Beschimpfungen, sexuell nötigende Bemerkungen, etc. Und das fast immer wenn ich mich mit einer Partnerin in der Öffentlichkeit bewege, wobei wir ja auch nichts anderes tun würden, als jedes andere Paar: Händchen halten, ab und zu ein Kuss; oder in Bereichen wo ich out bin: Schule, Arbeit, etc. Dass ich mit meiner Ex-Frau obwohl wir beide voll verdienten über ein Jahr lang eine einfache 2-Zimmer-Wohnung gesucht haben, ist für viele absolut unmöglich zu begreifen bzw. zu glauben. Von daher kann ich gut nachvollziehen wie dir zumute ist. Ich wünsche dir jedenfalls viel Kraft, viel Selbstliebe, und hör nicht auf, die Stimme zu erheben. Hab ich auch nicht, und irgendwie habe ich das Gefühl dass es für mich besser geworden ist - oder ich einfach stärker. Wie auch immer: Alles Gute!

Zweisatz - 10. Nov, 08:26

Hallo Sarah,
danke, dass du von deinen Erfahrungen berichtet hast.
Das mit der Wohnungssuche ist ja echt mal scheiße. Hast du den Eindruck, dass das auch konkret an der Stadt lag, in der du gesucht hast oder ist dir im Großen und Ganzen überall diskriminierendes Verhalten begegnet, wo du es "gewagt" hast, dich mit deiner Partnerin nicht zu verstecken?

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