Über die Unfähigkeit, ein "Nein" zu respektieren

Die "guten Ratschläge" für Frauen, um einer Vergewaltigung zu entgehen, sind allgemein bekannt. Ich halte es nicht für nötig, sie an dieser Stelle zu wiederholen.
Wichtiger ist, dass sie Frauen das Leben versagen, das Männer bedenkenlos führen können.

Werden Männer dazu angehalten, nicht zu viel zu trinken, da sie sonst leichter in eine Schlägerei geraten und sagt man ihnen, es sei - wenn es doch passiert - ihre Schuld, weil sie dem Alkohol zu sehr zugesprochen hätten? Erklärt man ihnen, dass sie aufpassen sollen, wie sie sich kleiden, wenn sie nach draußen gehen, weil sie sonst "den falschen Eindruck" erwecken könnten sexuell verfügbar zu sein? Macht man ihnen einen Vorwurf, dass sie nachts im Dunkeln alleine unterwegs waren, weil das nur herausgefordert hätte, dass sie ausgeraubt wurden?
In manchen Ohren mögen diese Szenarien lächerlich klingen - warum erwartet man dann, dass Frauen ihr Leben auf diese (und immer wieder neue) Weise einschränken, um jedwedem Übel aus dem Weg zu gehen?

Tatsache ist, eine große Mehrzahl der Fälle von sexuellen Übergriffen findet im Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis statt. Hier bringt es nichts, rein gar nichts, sich an die "wohlmeinenden" Ratschläge zu halten.
Was man in diesem Falle braucht, ist ein Netz aus Personen, die einen unterstützen. Die vor allem im Falle eines stattfindenden Übergriffes bereit sind, laut auf Fehlverhalten aufmerksam zu machen.

Wenn man sieht, wie jemand in der Öffentlichkeit von einem/einer vermutlich Fremden belästigt wird, ist es angebracht nachzufragen, ob alles okay ist. Eine andere Möglichkeit ist, die Person direkt mit einem Namen anzusprechen und zu suggerieren, dass man sich kennt. Es ist vollkommen egal, ob das sir richtiger ist - den muss man nicht kennen, um sim einen Ausweg aufzuzeigen.
Wenn man die Lage richtig eingeschätzt hat, zeigt man sim, dass en nicht alleine mit dem Übergriff zurecht kommen muss und en kann sich ohne Gefahr vom Angreifer entfernen. Sollte man (was ich für recht unwahrscheinlich halte) die Lage falsch eingeschätzt haben und es handelt sich um ein Missverständnis, dann kann man sich einfach entschuldigen und seines Weges gehen.
Wahrscheinlicher ist jedoch, sollte das Opfer nicht auf die helfende Hand eingehen, dass es sich bei dem/der anderen um eine/n Bekannte/n oder gar siren Lebensgefährten handelt und en es nicht wagt sich aufzulehnen.

Auch auf einer Party sollte man seinem Bauchgefühl trauen, wenn die Interaktion zweier Teilnehmer nur von einem erwünscht zu sein scheint. Vor allem wenn man beobachtet, wie jemand zu sexuellen Handlungen animiert wird (auch küssen oder streicheln gegen den eigenen Willen ist indiskutabel!), der/die wegen Drogen oder Alkohol nicht mehr in der Lage erscheint, Zustimmung zu solchen Handlungen zu geben. Dann sollte man das laut ansprechen!
Denn die Leute, die halb verschämt mit einem mulmigen Gefühl im Bauch zusehen, sind ein entscheidender Teil des Problems.

Anschließend ist zu sagen, dass man für jemanden da sein sollte, die/der Opfer eines sexuellen Übergriffs geworden ist.
Fragen wie
- Wie viel hast du an dem Abend getrunken?
- Wie spät war es denn?
- Warum bist du nicht mit Freunden nach Hause?
- Warum hast du sin nicht bei der Polizei angezeigt?
- Wie kann es Vergewaltigung sein, ihr wart doch ein Paar?
sind völlig, ich wiederhole, VÖLLIG fehl am Platze. Sie zeigen nur, dass man bereit ist, dass Opfer zum Täter zu machen.
Es gibt keine Person, die entschieden hat, sich vergewaltigen zu lassen. Es gibt nur eine Person, die entschieden hat, gewalttätig zu werden und genau diese Person trägt Verantwortung für den Vorfall.
So wie man es als gegeben hinnimmt, dass man niemanden "einlädt", einen zu erstechen, weil man Messer im Haushalt hat, gibt es kein Verhalten, das eine Vergewaltigung irgendwie "hervorruft".

Es ist vielmehr das gesamt-gesellschaftliche Verhalten, das Vergewaltigern zeigt, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie mit solch einem Verbrechen in einem bestimmten Umfeld davon kommen.

Sie können dies beobachten, wenn jemand in einem bestimmten Freundeskreis Frauen "zum Spaß" einen Kuss auf die Wange drückt.
Wenn diese sich dagegen aussprechen, aber von den Zuschauern gesagt bekommen, sie sollten sich "nicht so haben", zeigt das deutlich, dass Grenzüberschreitungen hier nicht sanktioniert werden.
Je mehr solcher Vorfälle keine entsprechende Reaktion finden (das heißt Empathie für die Frauen und eine klare Aussage aller, dass solches Verhalten hier nicht geduldet wird), desto wahrscheinlicher, dass ein Vergewaltiger nicht aus diesem Kreis ausgeschlossen wird, sollte en sich tatsächlich ein Opfer suchen.
Nach einem Übergriff würde sich in diesem Umfeld niemand trauen, auf das, was sim geschehen ist, aufmerksam zu machen. Weil en zu Recht annähme, dass die einzige Person, die für das Geschehen verantwortlich gemacht werden wird, en ist.

Daher ist es wichtig, auch kleine Verletzungen der Autonomie anderer nicht wegzurationalisieren, das heißt, logische Erklärungen zu finden, warum en "das gar nicht so meinte".
Jeder hat ein Recht auf körperliche und sexuelle Autonomie. Das heißt, ein "Nein" ist ein "Nein". Auch wenn es "nur" um Kitzeln oder eine Umarmung geht. Niemand hat ein Anspruch auf eine bestimmte Art von Interaktion mit anderen - sei es körperlich oder verbal.

In diesen Kontext gehört auch, jemanden auf der Straße anzusprechen und Ablehnung in Ermutigung zu verkehren. Die falsche Annahme, eine Frau möchte nur "schwer zu kriegen" sein, wenn sie "Nein" sagt, beraubt sie der Möglichkeit, Entscheidungen bezüglich dessen zu fällen, was sie will und vor allem nicht will. Denn wenn sie "Ja" sagt, dann will sie einen und wenn sie "Nein" sagt, will sie, dass man sich mehr Mühe gibt? Schwachsinn. Von Frauen geäußerte Worte bedeuten genau das, was sie im allgemeinen Sprachgebrauch auch bedeuten. Ich sage nicht "Nein", wenn jemand mir nachschenken möchte und meine tief drinnen "Mehr mehr mehr Kaffee!".
Aber das eigene Privileg hält viele Leute davon ab, genau das zu hören, was gesagt wurde. Sie hören dann "Nein, beglücke mich mit deiner Weisheit und dem, was du glaubst, was für mich richtig ist."
So etwas würde niemand sagen? Richtig. Warum scheinen es Menschen dann so oft zu hören?

Mehr zu dem Thema wird sicher folgen.


Zweisatz

Trackback URL:
https://hoc.twoday.net/stories/ueber-die-schwierigkeit-nein-zu-respektierent/modTrackback

Aktuelle Beiträge

Böse Männer sind auch...
Alien 3 kenne ich nicht, aber die Masche mit der einen...
Mia (Gast) - 8. Jul, 23:28
"Filme und Medien spiegeln...
"Filme und Medien spiegeln nur die Ansichten der Gesellschaft...
Zweisatz - 6. Jun, 20:44
Die Serie Orphan black...
Die Serie Orphan black ist ein Beispiel, dass es nicht...
Anna (Gast) - 6. Jun, 17:25
Leicht ist es nicht
Ich und zwei meiner Kolleginnen haben im Februar auch...
Onyx (Gast) - 31. Mai, 17:32
endlich
Bin froh, dass auch anderen der Sexismus in der Serie...
Jup (Gast) - 22. Jan, 01:09

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

Status

Online seit 5110 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 8. Jul, 23:28

Credits