Fernsehen und Film

Samstag, 12. November 2011

How I Met Your Mother

Eine der Serien, die ich regelmäßig sehe, wenn mir denn gerade ein Fernseher zur Verfügung steht, ist How I met your mother oder, der Einfachheit halber, HIMYM.
Mir gefällt dabei die liebevolle Beziehung zwischen Marshall und Lily, manchmal Barneys Art in seiner grenzenlosen Selbstüberschätzung, und natürlich allgemein der Humor der Serie ... bis zu einem gewissen Grad.
Denn so gerne ich behaupten können würde, dass die Serie mehr oder weniger makellos ist (bis auf die Tatsache, dass man ewig hingehalten wird, bis man erfährt, wie Ted denn nun die Mutter seiner Kinder kennen gelernt hat) kann ich mich mit einigen Aspekten nicht anfreunden, die im Großen und Ganzen die gesellschaftliche Realität widerspiegeln.

Beginnen wir exemplarisch mit einem interessanten Phänomen: Barney ist meist gerade dabei, irgendeine oder mehrere Frauen abzuschleppen. Er ist sofort als Frauenaufreißer durchschaubar, bei dem etwas im Argen liegt, der keine Skrupel hat, seine temporären Partnerinnen mit den wildesten Geschichten ins Bett zu kriegen und nach dem Sex recht herzlos loszuwerden, aber eines ist für die Zuschauer_innen sofort klar: er sucht weder eine längere Beziehung, noch Liebe, also auf jeden Fall keine tiefer gehendes Verhältnis zu den Frauen.
Ted hingegen ist immer auf der Suche nach einer Beziehung, oftmals wird sein Wunsch nach "wahrer Liebe" erwähnt und wenn er eine Frau näher kennen lernt, versteht es sich sozusagen von selbst, dass er vorhat, sich länger an sie zu binden.
Das heißt also Barney = herzlos = böse und Ted = romantisch = gut nach gewissen gesellschaftlichen Konventionen, richtig?
Das Problem ist nur, dass man den Eindruck gewinnt, dass Ted einen nahezu gleichen Frauenverschleiß hat wie Barney.
Er lernt sie kennen, er "verliert" sie wieder, nur dass er sich meiner Ansicht nach oftmals einfach unentschuldbar verhält.
Manchmal scheint er nicht weniger oberflächlich als Barney zu sein.

In einer Folge zum Beispiel geht es darum, dass Ted eine Frau, die "einfach für ihn bestimmt ist", becircen will, bevor es ein anderer tut. Denn sie hat sich vor Kurzem getrennt und nach all ihren letzten Trennungen hat er sich bei ihr gemeldet, um sie zu trösten und zufälligerweise auch zu seiner Freundin zu machen (riecht hier noch wer Nice Guy™?), aber immer kam er zu spät.
Das Bild, was dabei von ihr gezeichnet wird, ist mit "dürftig" noch nett beschrieben. Es ist nicht klar, was sie tut, woher sie sich kennen (außer "länger"), wie ihre gemeinsame Geschichte aussieht oder ob sie überhaupt (eigentlich das Wichtigste) das gleiche Interesse an ihm hat wie er an ihr.
Sie wird jedoch so porträtiert, als täte sie sich in kürzester Zeit nach einer Trennung sofort mit dem erstbesten Mann zusammen, der ihr über den Weg läuft.
Zugegebenermaßen scheint sie auch jeweils glücklich mit diesem zu sein -meist mehrere Jahre- aber der Kampf, der in dieser Folge zwischen Ted ("Liebe"), Barney (Sex) und einem ihrer Kollegen ("Liebe") nach der neuerlichen Trennung um sie entbrennt, ist lächerlich und unwürdig – vor allem, wenn man es aus ihrer Perspektive betrachtet.
Denn es geht in dieser Episode nur darum, mit welchem der drei Männer sie zuerst ausführlich redet. Es wird impliziert, dass der dann auch ihr neuer Partner sein wird. Das wird nicht in Frage gestellt. Und das finde ich wirklich gruselig, weil die Frau, um die es geht, offensichtlich keinerlei Präferenzen, keine No-Gos, keinerlei eigenen Willen hat, wenn es um die Wahl ihres nächsten Partners geht. Wie kann es sonst sein, dass der erste, der bei ihr landet dann auf jeden Fall ... bei ihr landet?
Sie ist hier die willen- und agendalose Trophäe, die dem Mann zuerkannt wird, der sich am meisten "bemüht" und damit das "Recht" gewinnt, ihre Aufmerksamkeit für die nächsten x Jahre (oder im Falle Barneys x Stunden) zu beanspruchen.
Letztendlich gewinnt der Kollege, sie Leben glücklich ever after, die Dame hat immer noch keinen Charakter. Yay.

Bei der ganzen Farce handelt es sich unter anderem um ein Problem von HIMYM an sich; die Macher_innen haben die Story so konzipiert, dass man sich mit Ted identifizieren soll, aber wenn man hunderte Folgen produziert und er in jeder dritten eine neue "ewige und große Liebe" kennen lernt, die er angeblich heiraten will, wirkt das einfach, als wäre er zu keinem Bisschen Selbstreflektion fähig.

Das, was mich an der Serie stört, ist aber auch Ausdruck dessen, was mich an der Gesellschaft allgemein stört: die Normalität von sexistischen Witzen, die Normierung von Äußerlichkeiten und Bestrafung von "Hässlichkeit", die immer gleichen Hauptakteure (weder divers in (Nicht-) Behinderung, Sexualität oder Herkunft) und der allgemein heuchlerische Umgang mit "Liebe" und "Romantik".
Ich würde Marshall und Lily durchaus als ein nettes Paar beschreiben, aber mit Teds Bemühungen kann ich einfach nicht sympathisieren, weil er mir zu oberflächlich, unehrlich und falsch vorgeht.

Besonders große Schwierigkeiten hat HIMYM offensichtlich dabei, Frauen, die nicht zu den beiden Hauptakteurinnen (Robin und Lily) gehören, tatsächlich als menschliche Wesen darzustellen, die zu mehr als einer Reaktion zwischen "hysterisch", "unerklärlich aggressiv", "einfach durchgeknallt" oder "uninteressant, weil hässlich/alleinerziehend/zu alt, ..." fähig sind.
Was am Ende bleibt, ist der Humor, der es zunehmend weniger fertig bringt, das verblassen zu lassen, weswegen ich HIMYM sonst abhaken würde.

Donnerstag, 6. Oktober 2011

Die Supernanny (nicht nur) als Kinderschreck

Dieser Beitrag von Fernsehkritik.tv beschreibt das ziemlich schockierende Vorgehen von RTL und der Filmcrew der "Supernanny" bei der Produktion einer ihrer Sendungen: klick.
Dass die Folgen teils gescripted sind und –wenn überhaupt– nur ein absurdes Zerrbild der Realität darstellen, sollte inzwischen bekannt sein, aber die dreisten 15.000€ Vertragsstrafe, mit denen den erwachsenen Protagonist(inn)en gedroht wird, der völlig empathielose Umgang der "Nanny" mit allen Anwesenden und überhaupt der Verdacht, dass die Crew möglicherweise nicht davor zurückschreckte, ein Tier zu töten, um das gewonnene Bildmaterial quotenstark ausschlachten zu können – all das und das weitere im Beitrag beschriebene Unrecht sollte jese dazu bewegen, von diesem Sender, seinen Sendungen und Methoden sehr großen Abstand zu nehmen. (Und vor allem vom hohen Ross zu steigen, von dem man auf die Darsteller/innen glaubt herabsehen zu können.)

Samstag, 23. April 2011

The Plan

Heute soll es um die Höhen und Tiefen von "Der Plan" gehen, eines Films, der derzeit in den Kinos läuft bzw. vor Kurzem lief.
Protagonisten in dieser Mischung aus subtiler Science Fiction und Liebesfilm sind der Kongressabgeordnete David Norris (Matt Damon) und die Tänzerin Elise Sellas (Emily Blunt).
Der Film überwältigt dabei nicht unangenehm mit einem der Genres und man kann entspannt der Story folgen. Die zum Glück nur selten wirklich kitschig ist.

Leider ist sie jedoch, was die Entscheidungen der Protagonisten angeht, zuweilen nicht logisch. Aber von vorne:

Elise und David lernen sich zunächst zufällig kennen, jedoch sieht "der Plan" nicht vor, dass sie sich ein weiteres Mal begegnen. Dieser göttlichen Masterplan, wie man ihn nennen könnte, bestimmt die Geschicke der Menschheit und jeses Einzelnen vorher, da die Erdbevölkerung sich nicht fähig gezeigt hat, ohne Leitung zu überleben.
Unglücklicherweise haben sich die Protagonisten nach der ersten Begegnung bereits verguckt, weswegen sie damit nicht einverstanden sind.
Um genau zu sein kann man das nur von David sagen. Denn Elise hat, wie es fast schon üblich ist, kein Seelenleben, wenn es nicht für den Verlauf des Filmes (also aus Erzählersicht) von Belang ist.
Selbst von ihrem Beruf erfährt das Publikum nur, weil David sich entscheiden muss, ob er ihr ihren Lebenstraum zerstört.

Er stellt sie nicht etwa vor die Wahl, um festzustellen, ob sie das Tanzen für ein Leben mit ihm aufgeben will, sondern entscheidet ganz alleine, dass er sich "zu ihrem Besten" nicht mehr melden wird - ohne jede Erklärung.
Das ist im Kontext der Handlung recht ironisch, da das Quasi-Paar bekanntermaßen selbst einem Plan unterworfen ist, dessen Inhalt und Hintergründe sie nicht kennen - so wie nun Elise der Bevormundung durch David. Denn offensichtlich ist nicht sie die Person, die entscheiden darf, wie sie ihre Zukunft gestaltet. David (bzw. der Drehbuchautor George Nolfi) sehen darin aber keinen Widerspruch.

Den Bechdeltest besteht "The Plan" auch nach scharfen Nachdenken nicht, was mich weniger gestört hätte, wenn Elise im Kontext des Films wenigstens eine Person mit einer Geschichte gewesen wäre, die ihre eigenen Entscheidungen treffen darf (damit meine ich vor allem Entscheidungen, die nicht von David initiiert wurden oder ihn betreffen). Aber man erfährt nicht, was -unabhängig von David- in ihr vorgeht.

Trotz allem hat der Film mir gefallen. Die genannten Mankos sind auch die einzigen, die das Vergnügen beeinträchtigten. Die Schauspieler sind gut, die Geschichte hat nur kleine logische Mängel und ist interessant erzählt.
Am Ende sind nicht alle Hintergründe klar, aber das könnte darin begründet sein, dass der Film von einer Kurzgeschichte inspiriert wurde und die Eigenschaften dieser Literaturform zum Teil widerspiegelt.

Das Regiedebüt von George Nolfi ist demnach sehenswert, so lange einem das Sehvergnügen nicht von den von mir genannten Punkten verdorben wird.

Sonntag, 19. September 2010

Gefangen im Netz der Beschützerphantasien

In letzter Zeit ist es schwer für mich geworden, "Krimi"-Serien zu schauen. Ich tue dies ohnehin nicht regelmäßig, aber ein wenig Law and Order oder einer der unzähligen CSI-Abklatsche, Bones oder Crossing Jordan finden sich ab und zu auf dem Bildschirm.
Es ist, besonders bei den amerikanischen Serien, auffällig, dass man sich bemüht, den Anschein von Gleichberechtigung zu wahren. Die Quote von Frauen, Schwarzen, Latinos und gar Juden soll möglichst "korrekt" sein. Weniger im Sinne von "realistisch", sondern "politisch korrekt". Denn wie viele Minderheiten man auch vertreten sieht, es würde mich wundern, wenn die (Fernseh-) Quoten der Realität entsprächen.
Allerdings sind die Fernsehgeschichten noch ominöser; Die weiblichen Cops und Pathologinnen haben oft ein dunkles Geheimnis. Ob sie vor ihrem Job bei der Polizei Stripperin waren (CSI), unter schwierigen Familienverhältnissen leiden (Crossing Jordan) oder während einer Vergewaltigung gezeugt worden sind (Law and Order). Es scheint, als würde man bevorzugt den weiblichen Darstellern hoch emotionale Lebensgeschichten andichten. Diese Hintergrund-Geschichten bieten die Möglichkeit, ein wenig Gefühlschaos in der Serie zu porträtieren, aber vor allem stellen sie einen bunten Topf voller Probleme zur Verfügung, die als Auslöser und Rechtfertigung für Nervenzusammenbrüche und tränenreiche Geständnisse dienen. Einmal mehr sind die Frauen für den "emotionalen" Faktor in einer Serie zuständig, während die Männer das logische Denken und den verschlossenen einsamen Wolf darstellen sollen. Dies wird, wenn man genauer darauf achtet, auch deutlich in den Unterhaltungen.
Frauen (und Schwarze, sowie Latinos) dürfen inzwischen auch kluge Dinge sagen, ziehen aber unterm Strich nicht annähernd so viele scharfsinnige Schlüsse wie ihre männlichen, weißen Kollegen. Auch der "Habe ich doch Recht gehabt"-Blick ist ihnen seltener vergönnt. Dafür dürfen Frauen (oder Spinner, wie Nigel in Crossing Jordan) moralisch-ethische Instanz spielen und mit Hilfe mancher als esoterisch verlachter Ideen dem Ermittler-Sein einen flauschigen Anstrich geben.
Oh - das heißt nicht, dass sie damit am Ende Recht bekommen. Sorry, da lag ein Missverständnis vor…

Trotz langer Einleitung, die Motivation für diesen Beitrag lag woanders. Bei ... Entführung! Kidnapping. Folter. Viktimisierung.
Denn was mir bei den Serien in letzter Zeit auffiel (neben der unpassend modischen Kleidung der Ermittlerinnen und ihren tief ausgeschnittenen Dekolletés), ist, dass man sie gerne selbst zum Opfer werden lässt. Ich habe inzwischen vier Mal eine Vorschau bzw. Folge gesehen, die erahnen lässt, dass diesmal eine Ermittlerin selbst Opfer wird, üblicherweise in Form einer Entführung, aber manchmal auch durch einen tätlichen Übergriff.
Sicherlich, es ist ausgelutscht, erst die Leiche des Opfers zu finden oder bereits zu Anfang die Tat zu zeigen, damit die Ermittler dann Stück für Stück ihre unglaublich akkuraten Gedanken zu einem großen Bild zusammensetzen. Man hat später das Privatleben der Polizisten und Kriminologen involviert, um den Zuschauern mehr Identifikations-Fläche und eine vielfältigere Story zu bieten - aber warum werden nicht die Männer entführt? Eignen sie sich nicht als Opfer? Kann man sich nicht vorstellen, dass sie auch nur einen Tag in einem verlassenen Gebäude festsitzen, weil sie sich - MacGyver-gleich - innerhalb von Minuten befreien würden? Die Frauen aber nicht?
Ich schätze, Ausschlag gebend sind eine Portion Voyeurismus (aufgerissene Oberteile, bebende Busen) und vor allem der "Kitzel", ob sie nicht auch vielleicht vergewaltigt oder in anderer Weise verletzt und erniedrigt werden, durch die man ein wenig mehr Fleisch sehen könnte.
Gehen meine Gedanken hier in ein abwegige Richtung oder ist es nicht das, was man ständig in Krimis sieht? Ausführlich zeigt man die (fast) nackten und üblicherweise missbrauchten Frauenkörper, es wird ellenlang darüber fabuliert, wer wen penetriert hat; es scheint, als würde das amerikanische Publikum hier den sexuellen Kitzel bekommen, der sonst nirgendwo im Fernsehen erlaubt ist. Aber eine Leiche ist ja keine nackte Frau und wir reden hier über Penisse, weil es um die Aufklärung eines Verbrechens geht. Alles total wissenschaftlich und korrekt, klar?
Zurück zu den Ermittlerinnen, die zu Opfern werden. Man muss hier einen Spagat meistern, der darauf beruht, dass die Frauen einerseits nicht zu schwach erscheinen dürfen, weil sonst ihre Rolle in der Serie unglaubwürdig erscheint (wo sie den Verbrechern üblicherweise überlegen sind) - aber sie dürfen auch nicht zu stark sein, weil sie sonst nicht mehr "weich" und "feminin" sind und daraus folgend vor allem nicht mehr ausreichend sexy, um ihr Auftreten in der Serie zu rechtfertigen.

Wer sich schon immer gefragt hat, warum die weiblichen Cops und Anwältinnen so ausgesprochen zurechtgemacht sind, während ihre männlichen Kollegen in der immer gleichen Kleidung (immerhin zuweilen Anzug) und dem gleichen Haarschnitt erscheinen, dem sei gesagt: weil diese Serien sich ebenfalls nach dem "Wunsch" des stereotypen männlichen, heterosexuellen Zuschauers richten. Paradoxerweise tut es nichts zur Sache, ob eine Serie hauptsächlich von Frauen eingeschaltet wird. Vielleicht auch von Schwulen. Oder von anderen Gruppen, denen überhaupt keine Identifikationsfigur geboten wird (man erinnere sich an die Unmenge von transsexuellen oder behinderten Darstellern, die jeden Tag über den Bildschirm flimmern).
Man bleibt bei dem, was man im täglichen Leben sonst auch erlebt: ein Markt, der nicht auf Hetero-Männer ausgerichtet ist, kann eigentlich kein Markt sein. Also produziert man irgendwann eine Folge, in der die (zu?) starken Frauen schwach, verwundbar und ein bisschen naggisch sind und schon hat man den Zuschauern die Angst genommen, Frauen könnten inzwischen das, wozu Männer fähig sind und sie schauen beruhigt weiter zu, wie jede Woche minutiös die Verstümmelung fiktiver Mitmenschen aufgeklärt wird.

Ich bleibe dabei: das Auftreten von (den paar vertretenen) Minderheiten in diesen Serien hat nichts damit zu tun, dass wir in einer gleichberechtigten Welt leben, sondern in einer, wo es tatsächlich Quoten braucht, damit bestimmte Gruppen überhaupt eine Chance haben, einen Platz in der öffentlichen Wahrnehmung zu finden. Dass sie dann eine eigene Persönlichkeit fern von Stereotypen haben dürften, ist aber wirklich zu viel verlangt.


Zweisatz

Montag, 17. Mai 2010

Kino in Zeiten der Gleichheit

Kennen Sie das auch? Sie wachen auf und die Frisur sitzt. Das Make-up ist dezent aufgetragen und ihr jugendlicher Körper schwingt sich aus dem Bett. Die Beine sind rasiert, aber Sie gehen trotz allem noch einmal duschen. Das ist sexy. Zähne putzen ist nicht nötig - ein Zahnpasta verschmierter Mund ruiniert Ihren unglaublichen Auftritt. Sie setzen sich halbnackt an den Frühstückstisch und Ihr Schatz begrüßt Sie. Während die Sonne gerade über der Stadt aufgeht, essen Sie die ersten frischen Croissants.

So verläuft es nicht? Das wissen wir wohl alle, aber Kino und Werbung wiederholen es, immer und immer wieder. Die Schilderung oben sticht dabei bereits heraus, denn der erzählerische Schwerpunkt liegt selten auf der Perspektive der Frau. Man sollte meinen, es sei heutzutage anders, aber viel zu wenige Filme bestehen den Bechdel-Test. Kennen Sie nicht? Also ein kurzer Abriss darüber, was auch auf der informativen Seite bechdeltest.com nachzulesen ist:
· In dem Film spielen mindestens zwei Frauen mit*
· Die miteinander sprechen
· Über etwas anderes als einen Mann.
*Vorzugsweise namentlich genannt.

Der erste Punkt wurde nicht klarer definiert, aber stellen wir uns vor, es wird eine Szene eingeblendet, in der zwei völlig unbekannte Frauen sich unterhalten, weil

a) eine Frau etwas bei einer Kassiererin einkauft
b) sie auf der Straße über das Wetter sprechen

und das ist nur ein Intermezzo gegenüber der Haupthandlung.
Im Sinne des Tests wäre es nicht. Wenn man Filme bezüglich dieser Kriterien beleuchtet und sie den Test bestehen, heißt das natürlich nicht automatisch, dass sie gut sind oder in irgendeiner Hinsicht feministisch. Aber es lohnt sich, einmal nachzudenken, wann man das letzte Mal einen Film gesehen hat, der den Test besteht.

Ich war gestern im "Kabinett des Dr. Parnassus". Es gibt nur eine Frau (Mädchen), die namentlich bekannt ist. Damit ist nicht einmal Kriterium eins erfüllt. Wenn man die Regeln sehr lose anwendet, könnte man behaupten, die Punkte wären vollständig vorhanden, da einige Frauen sich darüber streiten, wer als erstes das Kabinett betreten darf. Aber sie sind weniger Nebencharaktäre, als einfach Komparsen und erfüllen im Film die Funktion, deutlich zu machen, dass das Kabinett nach einer Durststrecke wieder Kundschaft hat. Nämlich diese Frauen.
"Sherlock Holmes" sah ich vor ein paar Wochen. Es gibt zwei Protagonistinnen, die namentlich bekannt sind. Wenn ich mich recht entsinne, begegnen sie sich nie. Darüberhinaus sind sie als Objekt der Begierde von Sherlock Holmes und Dr.Watson einkalkuliert.
"Shutter Island". Zwei Frauen werden eingeführt; die tote Gattin der Hauptfigur und eine Ärztin, die einmal auf der Insel arbeitete. Aufgrund der Unanimität der ersten, ist leicht abzuschätzen, dass nie ein Gespräch zwischen ihnen stattfindet.
Bleibt "The Chaser", ein koreanischer Film über einen Mann, der Prostituierte in sein Haus einlädt, um sie dann zu Tode zu quälen und sie in verschiedenen Variationen zu zerteilen und ihre Körperteile bspw. im Aquarium zu drapieren. Einen Moment bin ich dem irrtümlichen Glauben erlegen, es hätte sich eine entsprechende Konversation ereignet, aber als das frisch entkommene Opfer sich an eine Ladeninhaberin wendet, fehlt das eine Indiz: man kennt nur den Namen der Prostituierten, die Ladenbesitzerin ist, wie die Frauen bei Dr. Parnassus, mehr als Requisite zu betrachten. Sie hat keinen Namen, sie taucht nur kurz auf und ihre Aufgabe ist es, der Handlung eine Wende zu geben.
Eine abschließende gedankliche Überprüfung: finden sich in den Filmen zwei namentlich genannte Männer, die sich über etwas anderes als eine Frau unterhalten? In allen vier Fällen lautet die Antwort "Ja".

Von diesen vier Filmen also, die ich gesehen habe, besteht keiner den Test. Zufall? Ich denke nicht.
Die meisten Filme haben üblicherweise männliche Hauptfiguren, deren Leben, Emotionen, Charakter beleuchtet wird. Frauen bleiben dabei oft eindimensional oder haben die Aufgabe, wenn sie sich äußern, über die Hauptfigur zu sprechen.
Darin zeigt sich eine Scheu, den weiblichen Blickwinkel zu beleuchten (abseits von den Gedanken um einen Mann). Wenn ein Film mehr als eine weibliche Hauptfigur hat -oder nur eine- wird er schnell als "Frauenfilm" beschrieben und damit als unsehbar eingestuft, kitschig, nicht ernst zu nehmen.
Das mag zum einen daran liegen, dass solche Filme sich zuweilen tatsächlich in Klischees suhlen. Zum anderen ist diese Einstellung aber ignorant. Denn das bedeutet, dass ein männlicher Hauptcharakter für alle sprechen kann (denn die meisten dieser Filme werden von Männern und Frauen gesehen) und auch Frauen sich mit ihm identifizieren müssen können, aber Frauen können immer nur für sich selbst, oder zumindest ihr eigenes Geschlecht, sprechen.
Schaut man auf die Ursachen, beruht es u.A. auf Klischees über die charakterlichen Unterschiede zwischen Frauen und Männern. Frauen werden als die sensitiven, die mütterlichen, die entscheidungsscheuen in Filmen dargestellt und bleiben damit auf ewig die enervierend kreischenden Opfer in den Mörder- und Zombiefilmen, die sich gebärden, als könnte man einen Angreifer in die Flucht schlagen, wenn man ausreichend laut heult. Diese Figuren sind nicht deswegen unsympathisch, weil sie sich dumm verhalten (auch), sondern weil sie sich unrealistisch verhalten. Aber das ist nötig, weil sie sonst nicht gerettet werden könnten. Und mit jeder dieser Rettungsaktionen wird ein weiteres Männerego gestreichelt und eine weitere Frau überzeugt, dass es klug sei, sich immer wie die letzte hilflose Stilettoträgerin aufzuführen.
Durch die Stigmatisierung der "Frauenfilme", weil es offensichtlich wenige ausgewogene Darstellungen gibt, die Frauen als komplette Menschen zeigen, bleibt auch den Männern, die sich gerne solche Produktionen ansehen, gesellschaftliche Akzeptanz verwehrt. Es gilt als "verweichlicht". Diese mutwillige Trennung von "weiblichen" und "männlichen" Charaktereigenschaften und Interessen schränkt alle ein.

An der Stelle verlinke ich noch auf eine Seite, die die Stellung der Frau im Film weiter verdeutlicht. Man hat sich hier die Mühe gemacht, eine Liste zu erstellen, in wie vielen Filmen, die letztens erschienen sind, das Wort man vorkommt (im Sinne von "Mann", nicht "Mensch") und wie viele woman in ihrem Titel tragen.
Manch einer wird sich wundern, dass man girl und wife separat erwähnt. Der einfache Grund liegt darin, dass Mädchen nicht so einschüchternd wirken, wie eine Frau. Sie lassen sich noch formen und bevormunden, weswegen man vor dem erwachsenen Exemplar zurückgeschreckt. Wenn man Frauen als "Mädchen" bezeichnet, entmündigt man sie ein Stück und macht sie weniger Angst einflößend, weil scheinbar besser zu beeinflussen. Damit sind diese Titel keineswegs zu den Positivbeispielen zu zählen.
Genauso steht "Ehefrau" separat. Hier wird die Frau nicht über sich selbst definiert, sondern dadurch, wessen (Mannes) Anhängsel sie ist.
Die Seite: nymag.
Das Endergebnis lautet:
man: 43
gegenüber
woman: 6
girl/wife: 18.
Wow. Ein trauriges Ergebnis.


Zweisatz

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