Allgemein

Montag, 12. Dezember 2011

Umzug

Sehr geehrte Damen, Herren und nicht-Binäre,

ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass dieser Blog umziehen wird. Dies ist eine frohe Botschaft, denn es wird endlich in 5 Ebenen verschachtelte Kommentare *Schock*, die Möglichkeit (d.h. Zwang), die eigene E-Mail-Adresse beim Kommentieren zu hinterlassen und diverse Möglichkeiten, die Artikel und den Blog zu liken (sorry, nicht für Facebook) geben.
Also ziehen Sie bitte mit mir um und machen es sich im neuen Heim gemütlich.
Dieser Blog wird wie zuvor bestehen bleiben, auch die Kommentare bleiben vorerst offen, aber neue Artikel werden hier nicht mehr erscheinen.

Und nun bitte hier entlang.

Sonntag, 11. Dezember 2011

Transkript und Übersetzung: Erste Hilfe bei einem epileptischen Anfall

Englisch



Oben zu sehen ist ein Video, genannt: Take epilepsy action video - First aid for seizures (Werde aktiv bei Epilepsie - Erste Hilfe bei einem Krampfanfall).
Das Transkript des englischen Textes mit deutschen Beschreibungen beginnt in zwei Absätzen. Darunter findet sich die Übersetzung dessen, was im Video gesprochen wird, ebenfalls mit deutschen Beschreibungen der Geschehnisse.
Ich spreche im Folgenden nur von Frauen und Männern, so wie ich es aus dem Video lese, weswegen es durchaus möglich ist, dass ich einigen der Personen ein falsches Geschlecht zuordne.

[Beginn des Transkripts]
Frau, die gerade aus einem Passphoto-Automaten kommt: "These pictures are awful."
Eine zweite Frau, mit der sie spricht: "They are not bad, don't worry."
Frau im Hintergrund: "Do you guys know some first aid? (?)
Erste Frau: "What's that?"
Frau im Hintergrund: "Someone help us!"
(Beide Frauen eilen zu der Frau, die gerufen hat.)
Mann: "Should we call 911?"
(Überschneidend) Frau im Hintergrund: "Is there a first-aider?"
(Beide Frauen erreichen eine Gruppe von Menschen, die um eine Frau herum steht, die einen Krampfanfall hat.)
Eine Frau in der Gruppe: "Hey, put something in her mouth!"
Eine andere Frau in der Gruppe: "Should we call an ambulance?"
Mann in der Gruppe: "Hold her down."
Mann, der neben der Frau auf dem Boden kniet, sagt in die Kamera: "Would you know what to do?"
Weibliche Stimme aus dem Off: "We could all help someone who is having a seizure. During a tonic-clonic seizure, the person goes stiff, loses consciousness, falls to the floor and begins to jerk or convolves. They may look a little blue around their mouth from irregular breathing.
(Die folgenden Sätze werden in Teilen auch auf dem Bildschirm gezeigt.)

Don't panic. Just take the appropriate action. (Jetzt ist, neben den angezeigten Tips, auch der kniende Mann zu sehen, wie er der Frau hilft.)
Assess the situation. Are they in danger of injuring themselves?
Remove all nearby objects that could cause injury. (Mann nimmt der Frau ihre Brille ab und stellt einen Rucksack beiseite.)

Cushion their head to protect them from head injury. (Der Mann legt etwas, das wie eine gefaltete Jacke aussieht, unter den Kopf der Frau.)

Check the time. If the seizure lasts longer than five minutes, you should call an ambulance. (Mann schaut auf die Uhr.)

Look for a medical bracelet or ID card. It may give you information about the person's seizures and what to do. (Mann schaut sich die Geldbörse an und findet eine Karte.)

Once the seizure is over, put them on their side in the recovery position. Stay with them and reassure them as they come round.(Die Frau hat aufgehört zu zucken. Der Mann nimmt ihre rechte Hand und legt sie mit dem Handrücken an ihre linke Wange. Er winkelt ihr rechtes Bein an und dreht sie auf die Seite, so dass sie auf der linken Seite zu liegen kommt, linker Arm gestreckt, rechte Hand unter ihrem Kopf, linkes Bein ausgestreckt, rechtes Bein angewinkelt, so dass ihre Körper nicht zur Seite rollt. Zuletzt legt er ihren Kopf in den Nacken und testet mit dem Ohr an ihrem Mund, ob sie atmet.)

Never restrain the person, put something in their mouth or try to give them food or drink.
(Die Frau wacht auf. Während der nächsten Sätze bleibt der Mann bei ihr und spricht mit ihr, während sich die Leute der Gruppe verstreuen.)

It's not always necessary to call for medical assistance. Call an ambulance if:
You know it is a person's first seizure.
The seizure lasts for more than five minutes.
One seizure appears to follow another without the person gaining consciousness in between.
The person is injured.
You believe the person needs urgent medical attention."

(Kontaktinformationen, die für weitere Informationen über Epilepsie und erste Hilfe bei Anfällen angezeigt werden:) www.epilepsy.org.uk
Epilepsy Helpline on freephone: 0808 800 5050

(Die Frau trägt ihre Brille wieder und steht auf.)

[Ende des Videos]

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[Beginn deutsche Übersetzung]
Frau, die gerade aus einem Passphoto-Automaten kommt: "Diese Bilder sind schrecklich."
Eine zweite Frau, mit der sie spricht: "Sie sind nicht schlecht, mach dir keine Sorgen."
Frau im Hintergrund: "Kennt ihr Erste Hilfe? (?)
Erste Frau: "Was ist da los?"
Frau im Hintergrund: "Jemand muss uns helfen!"
(Beide Frauen eilen zu der Frau, die gerufen hat.)
Mann: "Sollten wir 911 rufen?"
(Überschneidend) Frau im Hintergrund: "Ist hier jemand, der Erste Hilfe kann?"
(Beide Frauen erreichen eine Gruppe von Menschen, die um eine Frau herum steht, die einen Krampfanfall hat.)
Eine Frau in der Gruppe: "Hey, tut ihr etwas in den Mund!"
Eine andere Frau in der Gruppe: "Sollen wir einen Krankenwagen rufen?"
Mann in der Gruppe: "Haltet sie fest."
Mann, der neben der Frau auf dem Boden kniet, sagt in die Kamera: "Würden Sie wissen, was zu tun ist?"
Weibliche Stimme aus dem Off: "Wir könnten alle helfen, wenn jemand einen Krampfanfall hat. Während einem tonisch-klonischem Krampfanfall wird die Person steif, verliert das Bewusstsein, fällt zu Boden und beginnt zu zucken oder sich zu winden. Sie sieht wegen unregelmäßiger Atmung vielleicht ein wenig blau um den Mund herum aus.
(Die folgenden Sätze werden in Teilen auch auf dem Bildschirm gezeigt.)

Bleiben Sie ruhig. Unternehme Sie einfach die angemessenen Schritte. (Jetzt ist, neben den angezeigten Tips, auch der kniende Mann zu sehen, wie er der Frau hilft.)
Schätzen Sie die Situation ein. Ist sie [die Person] in Gefahr, sich zu verletzen?
Entfernen Sie alle Objekte in der Nähe, die Verletzungen hervorrufen könnten. (Mann nimmt der Frau ihre Brille ab und stellt einen Rucksack beiseite.)

Polstern Sie ihren Kopf ab, um Kopfverletzungen zu vermeiden. (Der Mann legt etwas, das wie eine gefaltete Jacke aussieht, unter den Kopf der Frau.)

Schauen Sie auf die Uhr. Wenn der Anfall länger als fünf Minuten dauert, sollten Sie einen Krankenwagen rufen. (Mann schaut auf die Uhr.)

Schauen Sie nach einem medizinischen Armband oder Ausweis. Dies könnte Ihnen Informationen über die Anfälle der Person geben und was zu tun ist. (Mann schaut sich die Geldbörse an und findet eine Karte.)

Legen Sie sie in die stabile Seitenlage, wenn der Anfall vorbei ist. Bleiben Sie bei ihr und beruhigen Sie sie, während sie wieder zu Bewusstsein kommt. (Die Frau hat aufgehört zu zucken. Der Mann nimmt ihre rechte Hand und legt sie mit dem Handrücken an ihre linke Wange. Er winkelt ihr rechtes Bein an und dreht sie auf die Seite, so dass sie auf der linken Seite zu liegen kommt, linker Arm gestreckt, rechte Hand unter ihrem Kopf, linkes Bein ausgestreckt, rechtes Bein angewinkelt, so dass ihre Körper nicht zur Seite rollt. Zuletzt legt er ihren Kopf in den Nacken und testet mit dem Ohr an ihrem Mund, ob sie atmet.)

Halten Sie die Person niemals fest, tun etwas in ihren Mund oder versuchen, ihr etwas zu essen oder zu trinken zu geben.
(Die Frau wacht auf. Während der nächsten Sätze bleibt der Mann bei ihr und spricht mit ihr, während sich die Leute der Gruppe verstreuen.)

Es ist nicht immer nötig, medizinische Hilfe zu rufen. Rufen Sie einen Krankenwagen falls:
Sie wissen, dass es der erste Anfall einer Person ist.
Der Anfall länger als 5 Minuten dauert.
Ein Anfall dem anderen zu folgen scheint, ohne dass die Person zwischendurch ihr Bewusstsein wiedererlangt.
Die Person verletzt ist.
Sie glauben, dass die Person dringend medizinische Betreuung benötigt."

(Kontaktinformationen, die für weitere Informationen über Epilepsie und erste Hilfe bei Anfällen angezeigt werden:) www.epilepsy.org.uk
Gebührenfreie Epilepsie Hotline: 0808 800 5050

(Die Frau trägt ihre Brille wieder und steht auf.)

[Ende der Übersetzung]

Wenn ihr Fehler findet oder eine Möglichkeit kennt, den Text besser zugänglich zu gestalten, würde ich mich über eine Anmerkung freuen.

Samstag, 10. Dezember 2011

Follow up: (M)Ein ganz normaler Tag in Deutschland

Die Autorin hat ihr eigenes Online-Tagebuch angelegt. Wenn ihr wissen möchtet, wie es weiter geht, bitte hier entlang.

Ihr erster Text findet sich hier.

Samstag, 26. November 2011

Catch 22

Was mag ich also nicht am aktuellen weiblichen Schönheitsideal, abgesehen von der nicht nachvollziehbaren Überzeugung einiger, dass ich es ihnen "schulden" würde ihnen zu gefallen, denn, klar, als Frau habe ich keine Persönlichkeit oder einen eigenen Plan, was ich mit meinem Leben anstellen möchte – abgesehen davon, jemanden zu heiraten und dann nie wieder das Haus zu verlassen?

Zunächst einmal stehlen die Bemühungen, diesem Ideal zu entsprechen, wertvolle Zeit.
Was du tun könntest: Freunde treffen, dich bilden, dich an deinen Hobbys erfreuen – einfach Dinge tun, die du magst.
Was du stattdessen tust: Jedes Haar am Körper entfernen, außer auf deinem Kopf. Dort darf es nicht fettig aussehen, denn Frauen sind immer absolut gepflegt. Kümmere dich um deine Nägel, deinen schrecklichen Körpergeruch, ruiniere deine Vulva und Vagina mit parfümierten Waschlotionen und Vaginalduschen, achte darauf, dass deine Kleidung sauber ist und zeig', was du hast (oder nicht hast). Wechsel' sie jeden Tag.
Sieh nicht zu androgyn¹ aus, oder man wird dir nachrufen. Sieh nicht zu sexy aus, sonst wird man dir hinterherpfeifen. Kümmere dich um die Falten – wenn sie noch nicht da sind, dann werden sie es bald sein und du wirst unfickbar werden. Kümmere dich um deine Poren. Ja okay, jeder Mensch hat Poren, so wie jeder Mensch einen Kopf hat, aber wenn diese gefotoshopten Models keine zeigen, solltest du das auch nicht.
Leg etwas Makeup auf, aber nicht zu viel. Aber mach' dir nichts vor: egal, was du tust, Menschen werden dein Aussehen in jedem Falle kommentieren, denn im Grunde wirst du niemals gut genug sein, falls du nicht mit einem Penis geboren wurdest, ihn immer noch besitzt und das auch für alle mit deinem männlichen Verhalten klar machst.
Es funktioniert etwa so: Du verbringst deine ganze Zeit damit, dich dem Patriarchat anzupassen, aber du bist immer noch weiblich, also werden wir dich kontrollieren.
Du wirst vielleicht denken, dass du dir die Zeit ersparst und einfach tust, was dir passt? Falsch. Denn in diesem Falle hältst du dich nicht an Gender-Stereotype und versuchst, dir männliche Privilegien zu Nutze zu machen und das ist dir eindeutig nicht erlaubt, weil: Vagina.
Und eine Meinung haben und sie äußern? Also bitte! Du versuchst ja, Platz einzunehmen und das ist verboten. Der Typ neben dir, der seine Beine spreizt? Absolut okay. Du, wie du deine Beine in eine angenehme Position bringst? Abstoßend! All die Jungs in deiner Klasse verteilen ihre Sachen in einem großen Halbkreis um sich herum? Cool. Dein Zeug liegt um dich her verteilt? Entschuldige mal, weißt du nicht, wie man seinen Tisch sauber hält und wie unhöflich ist es überhaupt, diesen Platz nicht für andere aufzugeben? Der Typ in der Straßenbahn mit seinem Rucksack auf dem Rücken, genau in deinem Gesicht? Ist völlig in Ordnung. Offensichtlich stört es ja niemanden. Du mit deinem Rucksack auf? Hallo, Mädchen, was denkst du denn, was du da tust? Störst alle um dich her, stößt an Leute und nimmst überhaupt mehr Platz ein als den, den deine unmittelbaren Körperkonturen abstecken?!

Okay ... zweitens: Du wirst beim Kämpfen behindert.* So einfach ist das. Was wirst du mit deinen spitzen Schuhen, dem engen Rock und den dünnen Klamotten machen, die dich nicht vor Verletzungen schützen können? Falls du rennen musst, musst du deine Schuhe wegkicken. Falls du treten musst, musst du deinen Rock reißen lassen. Dir wurde jedoch von einem sehr jungen Alter an beigebracht, dass du deine Sachen nicht ruinieren darfst. Und heutzutage hast du das so gut verarbeitet, dass du dich unwohl dabei fühlst, sie zurück zu lassen oder sie überhaupt zu beschmutzen. Vielleicht wirst du zögern, weil du dir Sorgen machst, das Leute unter deinen Rock werden sehen können.
Um genau zu sein musst du deine Bewegungen aber die ganze Zeit an deine Kleidung anpassen. Es gibt Orte, an die du nicht gehen kannst, große Schritte, von denen du abgehalten wirst, vielleicht hast du Angst, die Treppe zu nehmen oder bist besorgt, dass jemand ein Bild deiner Unterwäsche schießen könnte. Denn, tja, das ist normal, oder nicht? Wir wissen, dass es geschieht.

Nichtsdestotrotz, lass mich dir sagen: es ist nicht deine Schuld. Diese Gesellschaft hat ein Problem, nicht du. Wenn du "weibliche" Kleidung tragen willst, ist das in Ordnung. Wenn du "männliche" Kleidung tragen willst, ist das in Ordnung. Wenn du einen ambivalenten² Stil magst, ist das auch in Ordnung.
Wenn dir hinterhergerufen wird, du angegriffen, anzüglich angestarrt, beleidigt wirst, wenn du herablassend behandelt wirst oder gar missbraucht: es ist nicht deine Schuld. Es liegt nicht daran, wer du bist, es liegt nicht daran, was du bist, es liegt nicht daran, was du getragen hast, es liegt nicht daran, was du getan hast, es liegt nicht daran, was du sagtest.
Es liegt daran, dass die Menschen, die dich so behandeln, nie darüber nachgedacht haben, was die Gesellschaft mit uns macht. Sie haben niemals ihre eigenen Privilegien reflektiert, sie haben es nicht fertig gebracht, die Verletzungen ihrer Kindheit zu verarbeiten und letztendlich haben sie nicht verstanden, dass man verdammt nochmal keinen Menschen schlecht behandelt und verletzt, scheißegal, was einem passiert ist.
Du warst da, sie waren da. Sie haben etwas Schlimmes getan. Das ist nicht deine Verantwortung.

Anmerkung: Ich wurde teils von "Beauty Bites Beast" von Ellen Snortland inspiriert. Ein gutes Buch, wenn auch etwas victim blamy.

1: Männliche und weibliche Merkmale in sich vereinigen
2: In sich widersprüchlich

*Editiert, um der Wahrheit näher zu kommen.

Mittwoch, 9. November 2011

Privilegien Weißer

<< Männer-Privilegien

(1) In westlichen Ländern als "normal", "hierher gehörend" und "eine_r von uns" wahrgenommen werden.
(2) Nicht gefragt werden, wo man wirklich herkomme.
(3) Andere Leute nicht dabei beobachten müssen, wie sie zeremonielle oder traditionelle Kleidung oder Gegenstände tragen/religiöse Instrumente spielen/traditionelle Praktiken im Allgemeinen als Teil ihrer Freizeitaktivitäten ausführen oder -noch schlimmer- als "Witz".
(4) Nicht "überreagierend" oder "überempfindlich" genannt werden, wenn man darauf hinweist und darauf besteht, dass etwas rassistisch ist.
(5) Andere Menschen gehen davon aus fähig zu sein, und versuchen infolgedessen auch, deinen Namen korrekt auszusprechen.
(6) Fremde Menschen fassen dein Haar nicht an!
(7) Nicht extrem persönliche und unangemessene Fragen gestellt bekommen über "deine Kultur".
(8) Nicht mitgeteilt bekommen, dass man "wirklich nett ist, für eine_n von denen" oder "eine Ausnahme von der Regel" ist.
(9) Als Frau* Fremden gegenüber nicht erklären müssen, dass man um ehrlich zu sein nicht total unterdrückt ist.
(10) Nicht von bestimmten Aktivitäten ausgeschlossen werden/bestimmte Speisen vorenthalten bekommen auf Grund von Annahmen darüber, was du tun und essen darfst wegen "deiner" Kultur oder "deiner Religion".
(11) Nicht erklären müssen, warum du Schweinefleisch isst/Alkohol trinkst/..., obwohl dir "das nicht erlaubt ist".
(12) Zu Halloween oder Fasching nicht sehen müssen, wie Menschen sich auf anstößige, stereotype Art als Personen verkleiden, die angeblich zu deiner Kultur gehören.
(13) Nicht mit Hilfe von sonderbaren, grammatikalisch falschen Halbsätzen angesprochen werden, auf eine Art, die völlig deine sprachlichen Fähigkeiten ignoriert und mitunter die Tatsache, dass du gerade in (einer) deiner Muttersprache(n) sprichst.
(14) Nicht alleine aufgrund deiner Hautfarbe Ziel von Polizei- und Fahrkartenkontrollen sein.
(15) Nicht aufgefordert werden, allen "deine" Kultur zu erklären.
(16) Als Frau* nicht aufgrund deiner Herkunft als absolut prüde/sexuell freizügig**.
(17) Als Mann* nicht automatisch als sexuell aggressiv/Krimineller abgestempelt werden.
(18) Sich nicht aufgrund der Hautfarbe geringeren Chancen Arbeit zu finden und bei gleicher Arbeit gleich bezahlt zu werden gegenüber sehen.
(19) Sich nicht der unmöglichen Aufgabe gegenübersehen zu erklären, warum Punkt 3 problematisch ist.
(20) Nicht mit "überraschten" Menschen reden müssen, weil man sich "gar nicht wie alle Menschen aus * verhält".

* Dieses Sternchen an "Frau" und "Mann" angehängt bedeutet auf meinem Blog üblicherweise "allgemein als Mann/Frau wahrgenommen". Das sagt nichts über die Genitalien aus, nichts über das Geschlecht "im Kopf", nichts darüber, ob die Person sich überhaupt in das binäre System einordnet.
** "Sexuell freizügig" hat natürlich allgemein eine negative Konnotation, ich hingegen sehe es keineswegs als problematisch an, so lange (wie immer) einwilligungsfähige Erwachsene beteiligt sind.

Privilegien von Menschen ohne körperliche Behinderung >>

Mittwoch, 2. November 2011

Deutsche feministische Blogs

Ich habe diesen Blog gestartet, weil ich mit deutschen feministischen Blogs unzufrieden war – hauptsächlich, da ich fast keine kannte. Sicher, letzteres könnte an mir (bzw. Google) liegen. Wer weiß, wie viele tolle Blogs es gibt, von denen ich noch nichts gehört habe? Und wenn ich erfahren würde, dass ich erleuchtende Lese-Erlebnisse aus diesem Grund verpasst habe, wäre ich traurig.

Aber zurück zu meinem ursprünglichen Plan: ich wollte einen Blog in deutscher Sprache starten, der Artikel über Themen beinhaltet und auf eine Art geschrieben ist, die mich interessiert. Meine Inspiration stellte dabei weitestgehend die US-amerikanische Blogosphere dar.
Nun gibt es etwas, das mich sehr stört, wenn ich einen feministischen Blog lese (egal, in welcher Sprache, aber meist sind es deutsche Blogs): wenn die Autorinnen, die sonst brillante Artikel zu interessanten Themen schreiben, unhöfliche, ablenkende und allgemein feindselige Kommentare nicht löschen.

Stellt euch vor, ich lese einen durchdachten Artikel, der viele neue Erkenntnisse und Denkansätze aufwirft und bin gespannt, ob diese Gedanken auch andere umtreiben. Aber sobald ich mich der Kommentarspalte zuwende, muss ich verfolgen, wie die Autorin ihren Artikel und dessen Inhalte wieder und wieder erklären muss, Aussagen abstreiten muss, die weder im Artikel standen noch impliziert wurden. Alles Dinge, die klar wären, wenn man den Artikel nicht schlampig lesen oder -meist der Fall- bösartig interpretieren würde.
Dennoch zeigen diese Bloggerinnen das Bedürfnis höflich zu sein oder sie möchten sich erklären oder ein Beispiel für andere Kommentator(inn)en setzen – ich kenne ihre Motivation nicht und da es sich nicht um meinen Blog handelt, kann ich sicherlich keine Entscheidungen über die Art der erlaubten Kommentare treffen, aber wenn ich eine solche Kommentarspalte lese, wünsche ich mir meist, die Autorin wäre strikter.
Denn für mich ist ein toller Artikel mit schrecklichen Kommentaren ein unvollständiges, unterm Strich trauriges Erlebnis.

Vielleicht liegt alles in der deutschen Mentalität begründet. Vielleicht wird man nie veröffentlicht/zu Konferenzen eingeladen, wenn man nicht auch mit Menschen diskutiert, die (internetweit) recht bekannt sind, aber dennoch Mist produzieren. Vielleicht funktioniert meine Einstellung zu Kommentaren in Deutschland nur, wenn man nicht vorhat, ein breiteres Publikum zu erreichen, das man (aus meiner Sicht) verdient hat (natürlich würde es mich freuen, wenn die Ideen, die mir so wichtig sind, gesellschaftsweit Beachtung fänden).
Es wäre wirklich schade, wenn man dumme, ja für die eigenen Leser/innen verletzende Kommentare veröffentlichen muss, um genug Aufmerksamkeit auf Inhalte ziehen zu können, die einer wichtig sind.

Wie oben angesprochen macht eine unzureichend moderierte Kommentarspalte einen Blog für mich daher weniger lesbar, wenn nicht gar unlesbar. Wahrscheinlich aus dem Grund, dass ich mich eigentlich in einer Umgebung entspannen will, die Ideen verbreitet, die ich teile. In meiner Muttersprache gehen mir die Kommentare auch näher.

Üblicherweise sind mir die Webseiten bekannt, deren Kommentare regelmäßig hasserfüllten Unsinn beinhalten (zum Beispiel jede größere Online-Zeitung). Aber wenn es sich um eine feministische Seite handelt, lese ich sie, trotz schlechter Erfahrungen, meist dennoch. Wahrscheinlich aus der unrealistischen Hoffnung heraus, dass die Autorin dem Treiben endlich ein Ende gesetzt haben wird. Denn Feminismus bedeutet für mich auch, vom Recht Gebrauch zu machen, die eigenen Grenzen durchzusetzen und es will in meinem Kopf nicht ganz zusammen, warum man fortschrittliche, emanzipierte Gedanken wälzt, aber gleichzeitig den Raum, in dem sie veröffentlicht werden, wieder der grausamen Außenwelt anheim fallen lässt. (Ich möchte hier nicht Victim Blaming betreiben. Am Anfang steht natürlich immer die Person, die einen Hasskommentar abgeschickt hat und auch diese ist alleinig für dessen Existenz verantwortlich.)
Üblicherweise, wenn man mit einer Person, die nicht einmal mit den Grundlagen vertraut ist, über feministische Themen spricht, ist es aus irgendwelchen Gründen der anderen Person erlaubt, beleidigend zu sein, während man selbst nett und höflich bleiben muss. Ich bin aber nicht bereit, mit Leuten zu diskutieren, die vielleicht, eines Tages, verstehen werden, wovon ich rede. Ich weigere mich, Sachverhalte wieder und wieder zu erklären, die man auf unzähligen Seiten im weiten weiten Netz nachlesen kann, wenn man sich denn die Mühe machen würde, sich zuerst einmal selbst zu bilden. Es ist nicht meine Pflicht, irgendjemanden zu erziehen!
Warum sollte ich Fragen beantworten, die bereits von viel geduldigeren Menschen als mir lang und breit erklärt wurden? Vor allem, wenn es sich um Fragen handelt, die ignorieren, wenn nicht gar verneinen, wie unsere Gesellschaft eigentlich funktioniert?
Es ist mir auch egal, ob die Menschen absichtlich nichts gelernt haben oder quasi aus Unachtsamkeit. Ich trage kein Schild, auf dem steht: "Ich bin Feministin, stell' mir unsinnige Fragen!".

Aus all diesen Gründen wäre ich an der Herangehensweise von anderen Blogger/inne/n interessiert (und der der Mitlesenden).
Welche Art von Kommentaren erlaubt bzw. verbietet ihr und warum? Denkt ihr, dass die Diskussionen in euren Kommentaren lesenswert sind und üblicherweise die Punkte aus dem Artikel in sinnvoller Weise erweitern? Seid ihr der Meinung, dass man, ohne "kontroverse" (sprich unerträgliche) Kommentare zu erlauben, kein größeres Publikum erreichen kann?

Dienstag, 25. Oktober 2011

(M)Ein ganz normaler Tag in Deutschland

Heute ein Gastartikel meiner muslimischen deutsch-chinesischen Freundin Mareike. Wenn er euch gefällt, dann verlinkt bitte fleißig.

Ich wache auf, ich sehe den wunderbar strahlenden Himmel draußen, ich rieche die leckeren Pfannkuchen, die mein lieber Ehemann mir immer zum Frühstück zaubert, ich komme mit bester Laune aus dem Bett – das scheint heute ein guter Tag zu werden!
Ich freue mich schon darauf, rauszukommen, die Sonne zu genießen, meine Freunde in der Uni wiederzusehen, kurz: Meine Stimmung ist blendend – wie das Wetter draußen, wird wohl wieder ein heißer Sommertag.
Ich schnappe mir Kleidung in meinen Lieblingsfarben aus dem Schrank und setze ein dazu passendes Kopftuch auf ... womit der Tag dann eigentlich so gut wie gelaufen ist...

Mit dem Vorsatz, heute stark zu sein, mich heute nicht von irgendwelchen Sprüchen runterziehen zu lassen, verlasse ich die Wohnung und bete, dass es ein schöner Tag wird.
Kaum bin ich im Treppenhaus, werde ich Zeuge davon, wie Frau Nachbarin die kleine dreijährige Tochter des kurdischen Ehepaars von nebenan die Stufen runterkickt. Wie einen Fußball. Ich renne hinzu, sehe, dass es dem Mädchen gut geht und wende mich der alten Dame zu, die schon so alt und gebrechlich aussieht, dass man überrascht ist, wie sie die Kraft überhaupt dazu aufbringen konnte. Doch mein Protest geht in wildem Geschrei unter, dass ich hier nichts zu sagen habe, ich bin ja schließlich nicht in meinem Heimatland. Ich habe hier nicht das Recht, meinen Mund überhaupt zu öffnen und wenn ich jetzt nicht verschwinde, rufe sie die Polizei. Ja, immer die Polizei, die dann auch immer auf ihrer Seite ist. Letztens wollte sie die Polizei rufen, als ich meinen Briefkasten öffnete. – „Ja, ja, machen Sie ruhig weiter so, ich hab Sie schon gemeldet!“ – Mein verdutztes „Aber ich hole doch nur meine Post“ hat sie in ihrem „Schmutzige Ausländer“-Gezeter wohl gar nicht mehr so recht mitbekommen.

Nun ja, das war nicht so ganz der erwartete Einstieg in den Tag (für das kleine Mädchen sicher auch nicht), aber der Tag hat ja gerade erst angefangen.
Zuversichtlich steige ich in den Bus und setze mich auf einen der vielen freien Plätze. – „Aufstehen!“ Ich sage verwirrt: „Warum?“ - „Auch noch Fragen stellen hier, oder was? Hör mir mal zu, ja? Noch bin ich hier im eigenen Land, okay? Und du bist hier nicht zu Hause, hier musst du dich an unsere Gesetze halten!“ Ich sehe mich um. Wahnsinn, keiner der anderen Fahrgäste verteidigt mich. Sie zücken alle ihre iPods und iPhones und sind offensichtlich ganz vertieft in ihre Musik und die, die solche Geräte nicht haben sehen alle hinaus in den Himmel, als ob sie noch nie die Sonne gesehen hätten.
Ich weiß, ich bin eine dumme feige Kuh, aber ich habe keine Lust auf eine nervenaufreibende Diskussion und begebe mich auf einen anderen Sitzplatz. Sowie ich dort Platz genommen habe, stehen jene, die sich unmittelbar neben mir befinden, abrupt auf und flüchten in den hinteren Teil des Wagens. Woran das wohl liegt? Den Blicken nach zu schließen höchstwahrscheinlich an dem Päckchen, was ich mit mir trage. Dass ich damit nur zur Post will, kommt wohl keinem in den Sinn. Und überhaupt – wäre da eine Bombe drin, wären sie auch ganz hinten im Bus nicht sicher!

Nachdenklich sitze ich nun in der S-Bahn und beobachte die Polizisten, welche soeben Ausweiskontrolle bei den Fahrgästen durchführen – also bei den Fahrgästen mit dunkler Hautfarbe und Vollbart...

Und schwupps – sie haben einen. Einen nehmen sie immer mit. Der Arme, der hat wahrscheinlich nur nicht daran gedacht, dass man hier noch nicht mal den Müll rausschaffen dürfte, ohne sämtliche
Papiere bei sich zu tragen. Seine Erklärungen in einwandfreiem Deutsch werden überhört. Die Beamten bemühen sich nämlich gerade, ihm in einer extremen Lautstärke mit absichtlich gebrochenem Deutsch und merkwürdig verformten Halbsätzen zu verdeutlichen, was hier los ist:
„Du – hier – in DEUUUUUTSCH-LAAND – sein! Hier – unsere – Gesetze! Du – nicht – in – Heimat!“
– Da ist es schon wieder: Heimat. Immer dieses Wort. Ständig. Ich kriege das am laufenden Band zu hören. Was ist das denn für eine Argumentation? Bin ich kein vollwertiger Mensch, nur weil man meint, meine „Heimat“ wäre sonstwo außerhalb?

Außerdem - was soll ich dazu sagen? Vater deutsch, Mutter chinesisch. Und selbst weder ganz das eine noch das andere. Hier gehöre ich nicht dazu, aber bei den Chinesen irgendwie auch nicht so recht. Denn ich kenne sie nicht. Ich war ein einziges Mal in China als kleines fünfjähriges Mädchen. Kaum noch Erinnerung daran. Keine Ahnung vom Land, von den Leuten, von der Kultur. Ich spreche nicht mal die Sprache. Kontakt zur Familie so gut wie gar nicht. Und so soll sie also aussehen? Meine Heimat? Das, wohin ich (so wie ich es oft zu hören bekomme) wieder zurückkehren soll? Ein Land, was ich nicht kenne, dessen Sprache ich nicht verstehe?
Ich bin hier geboren und aufgewachsen, habe hier die Schule besucht und nun die Uni. Ich kenne nichts anderes. Hier lebe ich. Können sie das nicht einfach akzeptieren? Nein, können sie nicht. Und deswegen lebe ich schon immer in der Schwebe. Zwischen zwei Welten. Zwei Kulturen. Und keine will mich so recht aufnehmen. Nirgendwo passe ich richtig rein. Ich bin irgendwo dazwischen. Und das ist schwer. Keinen richtigen Platz zu haben. Warum Mama hergekommen ist und warum sie bleiben wollte, keine Ahnung. Aber ich bin hier geboren. Das konnte ich mir nicht aussuchen. Ich hab hier das Licht der Welt erblickt und kenne auch nichts anderes. Hier habe ich mein Leben verbracht. Und jetzt soll ich hier wieder weg? Nur weil ich anders aussehe? Weil mein Familienname ein bisschen anders klingt? Weil ich zu meiner Jeans und dem H&M-Kleid ein Kopftuch trage?

Mittlerweile habe ich es bis zur Poststation geschafft. Ich verlasse die S-Bahn und bleib kurz am Bahnsteig stehen, um mich zu orientieren. Welche Richtung war nochmal die Post? Ich lege mein Paket ab, geh ein paar Schritte bis zur Anzeigentafel und studiere den dort ausgehängten Stadtplan. - „Gleis 3, wiederhole, Gleis 3, bitte kommen!“ - Ein Polizeibeamter hat wohl irgendwas auf Gleis 3 entdeckt! Was das wohl ist? Interessiert sehe ich mich um – o nein – die stehen um mein Päckchen herum! ...

Endlich geschafft. Ich habe mich mehrmals bei den Beamten entschuldigt und hätte fast 200 EUR für diesen „Einsatz“ zahlen müssen – pfff! - Die stehen doch sowieso den ganzen Tag am Bahnhof herum!
Und nach einer ziemlich aggressiven Frage der Postbeamtin nach dem Inhalt des Päckchens habe ich es auch endlich geschafft und bin bei der Uni angekommen. - Vielleicht wird dieser Teil des Tages ja besser...

Uni-Tag erfolgreich geschafft und wieder viel Neues gelernt. Zum Beispiel, dass die Uni-Bibliothek nur drei Etagen hat, nicht vier. Obwohl man mir sagte, der Gebetsraum für muslimische Studenten befindet sich in der vierten Etage.

Ich stehe nun auf dem Unigelände und warte auf meinen Mann. Er hat heute früher Feierabend und da wollte er mir die Freude machen, mich abzuholen. Ich freue mich, ihn gleich zu sehen.
Ungeduldig sehe ich auf die Uhr. Ich sehe immer wieder auf die Uhr. Er ist sonst ein pünktlicher Mensch. Mit der Zeit mache ich mir Sorgen, da er auch nicht telefonisch zu erreichen ist, wobei er so einen penetranten Klingelton hat, dass er so gut wie nie einen Anruf verpasst.
Nach drei Stunden bekomme ich einen Anruf: „Salamu alaikum mein Schatz. Ich komme gerade aus der Polizeistation...“
Na toll, was denn jetzt schon wieder! Wobei, ich hätte es mir denken können – es hat doch gerade ein neuer Monat angefangen. Muss ja mal wieder was kommen. Das letzte ist nun schon vier Wochen
her.

Sie haben ihn immer wegen irgendwas. Sie fangen ihn immer am Bahnhof ab und nehmen ihn immer wegen was andrem mit aufs Revier. Widerstand wäre da zwecklos. Sie sagten ihm, wenn er den Mund aufmacht, schlagen sie ihn. Ist zum Glück noch nie passiert. Tja, und dann sitzt er da sinnlos drei Stunden auf dem Revier, verpasst sämtliche Termine, kriegt nicht mal das Recht, auf die Toilette zu gehen oder etwas zu essen. Die Beamten schlürfen derweil ihren Kaffee, beleidigen ihn, um dann im Anschluss zu sagen: „Entschuldigung, wir hatten eine falsche Information zugespielt bekommen. Sie waren gar nicht gemeint. Es tut uns sehr leid. Sie dürfen jetzt gehen.“

Jedes Mal dasselbe. Sinnlose Zeitverschwendung und Nerven kostet es sicher auch. Mein armer Schatz, er tut mir so leid! Ich frage mich nur, warum immer? Was ist an ihm so interessant? Er ist ein einfacher tunesischer Mann, der hier Pharmazie studiert und nebenbei als Arabischlehrer tätig ist. Manchmal hält er auch Vorträge in Moscheen. Dann sind da manchmal eine Menge Leute, die konvertieren wollen. Wahrscheinlich liegt es daran, dass sie immer wieder versuchen, ihn wegen irgendetwas dranzukriegen. Er redet denen einfach zu viel und zu überzeugend.
Bis jetzt war schon alles mögliche dabei: Diebstahl, Körperverletzung, Schwarzfahren, ungültiger Aufenthaltsstatus und natürlich der absolute Renner: Verdacht auf terroristische Aktivität. Und immer wieder kriegt er nach stundenlanger Demütigung ein „Entschuldigung, wir hatten nur eine falsche Information bekommen. Sie waren gar nicht gemeint. Sie dürfen gehen.“
Na? Da hat man doch irgendwann keine Lust mehr drauf, oder? Wenn man sich dann tatsächlich einen Sprengstoffgürtel umbinden würde, würde man mal etwas tun, was alle erwarten!

Mein Mann hat sich da jetzt mal beschwert. Was kann er gegen diese Behandlung tun? Sie meinten, er könne die Polizei verklagen. - Die Polizei verklagen? Na klar. Und nebenbei noch einen Riesenscheck an einen Anwalt übergeben. Und Namen hat er auch nicht. Er weiß nicht, welche Beamten das waren. Im Gegensatz zu ihm wollen die sich nämlich nie ausweisen.
Einer sagte noch: „Naja, Sie könnten sowas umgehen, indem Sie sich nicht so oft auf Bahnhöfen aufhalten würden.“ - Versuch das mal einer! In Köln einem Bahnhof aus dem Weg gehen! - Die S-Bahn hier ist das effektivste Verkehrsmittel, um durch die Stadt zu kommen! Es geht gar nicht anders, als mehrmals täglich einen Bahnhof aufzusuchen!

Da kommt mein Mann endlich! Der Arme, er tut mir so leid. Routinemäßig frage ich ihn: „Und, was war es diesmal?“ - „Vorwurf des Kindermissbrauchs.“ - WAAAAAAAAAAS?! Oh mein Gott! Die wollten ihm ja schon alles mögliche anhängen, auch glauben sie, dass er ständig mit 'ner Bombe herumläuft, aber das? Oh mein Gott, das übertrifft ja alles! Das ist ja das Letzte! Wie können sie nur?
„Und was haben sie dann zu dir gesagt?“ - „Es tut uns leid, dass wir sie hier aufgehalten haben, wir hatten nur eine Falschinformation.“
Was haben die nur davon, frage ich mich!

Nun gut, jetzt nicht mehr davon reden, wir haben noch ein paar wichtige Termine: Behördengänge.

Ich mache mich schonmal drauf gefasst, ignoriert zu werden. Das ist wirklich lustig. Überall werde ich angestarrt und doof angemacht, aber sowie ich eine Behörde betrete, bin ich wie Luft. Dann reden sie nur noch mit meinem Mann, auch wenn er sie immer wieder darauf hinweist, dass ich sehr wohl der deutschen Sprache mächtig bin.
„Wie heißt Ihre Frau? Wie alt ist Ihre Frau? Was möchte Ihre Frau?“ Manchmal mache ich mir den Spaß und antworte entweder in übelstem Dialekt (Sächsisch bevorzuge ich) oder in völlig überzogener Fachsprache in möglichst kompliziertestem Satzbau. In deren Gesichtern erkennt man dann immer eine Art Fassungslosigkeit. - Was sie nicht daran hindert, mich noch immer nicht für voll zu nehmen.

Einige Fragen beantworten sie auch einfach so und tippen etwas in ihre Computer, ohne mich vorher zu fragen, hier nur ein paar Beispiele:
„Staatsangehörigkeit: Sonstige“ - Nein, ich hab einen deutschen Pass.
„Ach so ... Status: Eingebürgert“ - Nein, erworben durch Geburt. Mein Vater ist deutsch.
„Ach...?“ (Hochgezogene Augenbrauen)
„Anzahl Kinder...“ - Keine.
„Nein, ich meine, wie viele Kinder Sie haben!“ - KEINE!
„Beruf: Hausfrau“ - Nein, ich bin Studentin!
„Ach...?“ (Augenbrauen verschwinden fast völlig unter dem Haaransatz)

Irgendwann ist dann auch dieser Tag geschafft.
Wir sind auf dem Heimweg. Im Bus lasse ich meine Kapuze gleich auf. Ich habe für heute keine Energie mehr, den Leuten immer wieder ihre dummen Fragen bezüglich meines Kopftuches zu beantworten:
„Nein, mir ist nicht wärmer als Ihnen. Nein, mein Mann zwingt mich nicht dazu. Nein, mein Vater auch nicht. Brüder? Hab ich keine. Nein, ich wurde noch nie geschlagen. Nein, meinen Mann habe
ich aus Liebe geheiratet. Nein, zu Hause trage ich kein Kopftuch. Nein, ich bin keine Türkin. Bla-Bla-Bla.“

Den nächsten Bus haben wir verpasst. Also eigentlich nicht verpasst. Wir standen an der Station. Der Busfahrer sieht uns an und – fährt vorbei.
Als wir endlich im nächsten Bus sitzen, lassen wir jeder für sich den Tag Revue passieren. Mein Mann schäumt vor Wut. Ich dagegen habe gar keine Kraft mehr für Wut. Ich fühle mich einfach nur sehr traurig und enttäuscht und – allein. Ja, das trifft es. Allein. Mir laufen die Tränen runter, während mein Mann sich neben mir lauthals über Deutschland beschwert.

Ein Mann kommt zu uns und kommentiert:
„Wenn es Ihnen hier nicht passt, warum bleiben Sie dann noch hier?!“

Ja, das frage ich mich auch.

„Gehen Sie doch nach Hause!!!“

Hmm, wenn ich nur wüsste, wo das ist – mein zu Hause...

Edit 10.12.2011, Zweisatz: Ihr Tagebuch

Dienstag, 27. September 2011

Zwischenmeldung: Trackbacks möglich

Soeben habe ich die Möglichkeit freigeschaltet, Trackbacks zu erstellen. Zu diesem Zwecke muss man lediglich auf den Titel des gewünschten Beitrages klicken und findet darunter die entsprechende Trackback-URL.

Donnerstag, 22. September 2011

Männer-Privilegien

<< Privilegien

(1) Mit verschiedenen Partnern schlafen können, ohne überlegen zu müssen, ab welcher Zahl man als "Schlampe" wahrgenommen und dafür bestraft werden wird.
(2) Nicht aufgrund des Geschlechts schlechter bezahlt werden.
(3) In Gesprächen besser wahr- und ernstgenommen werden. Insbesondere wird im akademischen Kontext bzw. Arbeitsleben nicht aufgrund des Geschlechts die Expertise in Frage gestellt.
(4) Ein Ausbruch von Wut oder Empörung ist nicht automatisch "unangebracht emotional", "hysterisch" oder eine "Überreaktion".
(5) In Freizeit-, Alltags- und Geschäftskleidung auf die Straße gehen können, ohne fürchten zu müssen, dass Fremde aufdringlich hinterherpfeifen, unangebrachte Kommentare rufen oder gar in öffentlichen Räumen diverse Körperteile anfassen.
(6) In so gut wie jedem Film, Buch oder Comic eine Identifikationsfigur, üblicherweise als Hauptfigur, geboten bekommen.
(7) Besagte Identifikationsfigur handelt als Individuum und nicht Stereotyp einer Gruppe, hat damit ein Seelenleben und zeigt nachvollziehbare Reaktionen auf ihre Umwelt.
(8) In öffentlichen Ämtern, der Politik, auf Arbeit, in Geschichtsbüchern regelmäßig Personen des eigenen Geschlechts wiederfinden, was oft mit der Sicherheit einhergeht, dass die eigenen geschlechtsspezifischen Interessen Beachtung finden.
(9) Weder wird bei der Geburt eines eigenen Kindes erwartet, dass man die Arbeit aufgibt/einschränkt, noch bei Krankheit zu Hause bleibt. Fehlerziehung oder mangelnde Beaufsichtigung werden nicht als Fehler des Vaters betrachtet.
(10) Die Ablehnung einer Person als Geschlechtspartner wird als legitime Entscheidung angesehen und üblicherweise ohne weitere Anfeindungen hingenommen.
(11) Einen Blog schreiben können, dessen Inhalt das Geschlecht des Autors verrät, ohne Vergewaltigungs- und Morddrohungen oder geschlechtsspezifische Beleidigungen und Infragestellung der eigenen Sexualmoral befürchten zu müssen.

Dies soll es für den "ersten Streich" gewesen sein. Ich möchte noch kurz anfügen, dass die Problematik der Intersektionalität hier nicht aufgegriffen wird, aber in jedem Falle zu beachten ist.
Intersektionalität bedeutet, dass man gleichzeitig zu mehreren Minderheiten gehören kann. Gleichzeitig kann man in einem Kontext privilegiert und in einem anderen benachteiligt sein. Dementsprechend ist es möglich, in bestimmten Beziehungen Privilegien zu genießen und in anderen nicht. Dies kann dazu führen, dass Privilegien, die man aufgrund eines Status besitzen würde, geschmälert werden durch die Zugehörigkeit zu einer weiteren Gruppe.
Ein Migrant zum Beispiel besitzt männliche Privilegien, wird aber in Deutschland meist nicht als "einer von uns" wahrgenommen werden und eine entsprechende Behandlung erfahren.
Überschneidungen in der Zugehörigkeit zu Minderheiten können sich auch gegenseitig verstärken, wie zum Beispiel bei Frauen mit psychischen Krankheiten, die durch die geschichtliche Einstellung zur "weiblichen Hysterie" stark stigmatisiert werden.

Weitere Vorschläge sind willkommen.

Privilegien Weißer >>

Donnerstag, 1. September 2011

Privilegien

Ich habe zum Konzept von Privilegien bereits einen sehr guten Link veröffentlicht, möchte das Thema aber etwas greifbarer machen. (Vor allem auch für diejenigen, die sich mit englischen Texten schwer tun.)
Deswegen werde ich in Zukunft exemplarische Aufzählungen veröffentlichen, welche Privilegien man (oft unwissentlich) als Mann, Weiße/r, Heterosexuelle/r usw. besitzt.
Vorschläge, welche Menschengruppen ich behandeln soll oder Ergänzung von Privilegien, die ich nicht genannt habe, sind in den Kommentaren erwünscht.

1) Männer-Privilegien
2) Privilegien Weißer
3) Privilegien Physiotypischer
4) Klassenprivilegien
5) Cis-Privilegien

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